Sie verband die Leitfrage dieses Wochenendes, die auf der Tagung des vergangenen Jahres entstanden war: Was hindert Menschen eigentlich daran, das, was sie als gut und richtig erkannt haben, zu tun?
Oder anders, positiv gewendet: Wie kommt es dazu, dass Menschen richtig, moralisch richtig handeln, welche Bedingungen braucht es dazu und was für Ansätze gibt es, um moralisch richtiges Handeln zu befördern und das Schlechte zu hindern?
Als interdisziplinäre Runde hat der Arbeitskreis, in gewohnter Manier, auch wieder ein interdisziplinär angelegtes Tagungsprogramm entworfen.
Moral als Teil der evolutionären Entwicklung des Menschen – ein hoffnungsvoller Befund -, gehörte ebenso dazu wie der Blick „ins“ Gehirn, den der bekannte Hirnfoscher Niels Birbaumer in seiner Forschung seit Jahrzehnten unternimmt. Mit dem Ziel, auch vermeintlich hoffnungslose Fälle – schwere Straftäter – nicht aufzugeben, sondern auf die Formbarkeit des Gehirns auch in Sachen gut und böse zu setzen.
Dazu gehört dann auch die intensiv mit dem Sozialpsychologen Ernst-Dieter Lantermann diskutierte Frage, welchen Einfluss das menschliche Miteinander hat, welche Faktoren zu Extremismus und Spaltung führen und was umgekehrt zum Guten verhilft. Letzteres ist so einfach benannt wie schwer umzusetzen: Anerkennung, Wertschätzung, ein zugewandtes Miteinander, ein Platz für jeden Menschen in einer Gemeinschaft.
Dass hier die Aufgabe für jeden und jede von uns liegt, sollte auf der Tagung nicht nur diskursiv erörtert, sondern einmal exemplarisch geübt werden. Dazu hatte der Trainer für Gewaltfreie Kommunikation, Danny Friedrich, einen sehr inspirierenden und aktivierenden Abend vorbereitet.
Am Ende können Menschen nur bei sich selbst anfangen. Das aber können sie auch.
Am zweiten Tagungstag standen die Bedeutung der Religion bei der Erklärung und der Überwindung dessen, was traditionell das Böse heißt, im Vordergrund, verbunden mit der Königsdisziplin für eine Entwicklung der Menschen - der Pädagogik.
Neben einer tiefgründigen Auslegung der mythischen Erzählung von der ersten bösen Tat, der Kain-und-Abel-Geschichte aus der Bibel, nahm der islamische Theologe Raid Al-Daghistani die Teilnehmenden mit auf eine spannende Reise in die Welt der islamischen Mystik, namentlich des Sufitums. Die Stufen der Gotteserkenntnis ist hier unmittelbar verbunden mit der Herzensreinheit, dem Streben nach einem guten Leben im moralischen Sinne, einem Leben, das in und aus Liebe geführt wird. Wie nahe sich hier die beiden Religionen sind, war eine der ganz besonderen Erkenntnisse dieser hochspannenden Tagung. Den Abschluss bildete der Blick nach vorn aus kinderärztlich-pädagogischer Perspektive: Wie können mit jedem Menschen neue Anfänge gemacht werden können, wenn Fürsorge, Liebe da sind, aber auch gerechte Lebensbedingungen und eine lebensförderliche Umwelt geschaffen werden.
Es war eine Tagung voller Begegnungen, aber auch voller wichtiger Gedanken und der immer wieder aufs Neue gemachten Erfahrung, dass sich die so unterschiedlichen Ansätze stets wieder trafen und es große gemeinsame Schnittmengen gibt bei dieser am Ende vielleicht wichtigsten Frage für die Menschheit.
Dr. Friederike Barth
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