Dritte friedensethische Tagung Evangelischer Akademien Deutschlands zum Russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine

„Ich habe geträumt, der Krieg wär' vorbei …“

Einige Evangelische Akademien Deutschlands hatten im März online zur dritten friedensethischen Tagung eingeladen. Unter dem Titel „Ich habe geträumt, der Krieg wär' vorbei …“ wurden unterschiedliche Aspekte des russischen Angriffskriegs erörtert.

Drei Schwerpunkte standen im Fokus – auf einer theologischen Ebene sollten biblische Traditionen, die neben der Bergpredigt stehen, diskutiert werden. Eine sehr emotionale kriegskritische Antwort gab Prof. Dr. Klara Butting, Leiterin des Zentrums für biblisch-politische Bildung Woltersburger Mühle, einem Friedensort der Hannoverschen Landeskirche, und bezog sich dabei auf die Geschichte von David und Goliath. Sie beschrieb diese als Ermächtigungsgeschichte in totaler Asymmetrie der Mittel, um daraus den Schluss zu ziehen, dass die militärische Aufrüstung der Ukraine aus ihrer Sicht äußerst kritisch zu betrachten sei. Die Privatdozentin und Professurvertreterin Dr. Urszula Pekala für Kirchen- und Theologiegeschichte am Institut für Katholische Theologie der Universität des Saarlandes argumentierte eher sachlich in Bezug auf die Frage, wie sich Christen verhalten sollen, wenn es um einen ideologisch motivierten Angriffs- und Vernichtungskrieg geht. Sie wies darauf hin, dass besondere Aufmerksamkeit in dem Moment geboten sei, wo aus dem Opfer des Angriffs ein Mitaggressor gemacht werde – stattdessen habe das Opfer das Recht auf Selbstverteidigung, für die es auch um Unterstützung werben kann. Dr. Pekala stellte die Lieferung von Waffen unter das Prinzip der Solidarität, da das Opfer (die Ukraine) nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, Gewalt zu erleiden. Auch richtete sie das Augenmerk auf strukturelle Möglichkeiten von Seiten der Kirchen, auf den Konflikt einzuwirken und ging dabei auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rats 2022 ein.

Ukraine Friedenstaube Russland

Das zweite Zwiegespräch behandelte Fragen des Völkerrechts. So gab Professor Dr. Hans-Joachim Heintze vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum einen kurzen Überblick über die vielfältigen und massiven Völkerrechtsverletzungen und letztlich mangelnden Sanktionsmöglichkeiten durch die UNO, deren Sicherheitsrat ja durch das Veto Russlands komplett blockiert ist. Die Idee und Bindekraft, die der UNO und dem Völkerrecht zugrunde liegt, Frieden durch Recht zu erhalten, ist massiv beschädigt worden durch diesen Angriffskrieg. Da hat auch der kürzlich vom Internationalen Gerichtshof ausgesprochene Haftbefehl gegen Wladimir Putin nur Symbolcharakter. Der Ukrainische Anwalt der Nichtregierungsorganisation Ukrainian Legal Advisory Group aus Kiew, Arie Mora, beschrieb die Möglichkeiten, ein hybrides Gericht einzurichten. Die Menschenrechtsverletzungen werden vor Ort dokumentiert, nationale Repräsentanten und internationale Staatsanwälte sowie die Strafverfolgung würden zusammenarbeiten, Fertigkeiten und Erkenntnisse austauschen, so dass vor Ort Gerichtshöfe die Rechtsverletzungen ahnden können. Unklar ist dabei die Frage, wer im Falle von Verhandlungen diese führen kann, wenn Putin mit Strafverfolgung bedroht ist oder welche Legitimität er noch hätte, wenn er persönlich angeklagt wäre.  

Der letzte Dialog fand mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Johannes Varwick von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Philosophen Dr. Andrei Lavruhin, Forschungsdirektor des Instituts für Entwicklung und sozialer Markt in Belarus und Osteuropa in Vilnius statt. Prof. Varwick nimmt den Krieg in einem Stadium der Unlösbarkeit wahr und plädierte deswegen für ein Einfrieren des Konflikts, auch um Russland aus seiner selbstverschuldeten und fortschreitenden Isolation nicht noch weiter zu bedrängen. Dr. Lavruhin hielt dagegen, dass die revanchistische und aggressive Stimmung in Russland seit mehr als 30 Jahren gepflegt werde, was sich wiederum in vielen kriegerischen Auseinandersetzungen mit ehemaligen Sowjetrepubliken seit 1992 gezeigt habe und von selbst nicht stoppen werde. Ohne eine Entideologisierung Russlands seien weitere kriegerische und langanhaltende Konflikte Russlands mit seinen Nachbarstaaten vorprogrammiert. Einig waren sich die beiden Gesprächspartner in der Einschätzung, dass es noch Jahrzehnte dauern werde, bis die beiden Nachbarstaaten wieder zu einem „normalen“ Umgang miteinander in der Lage wären – das betrifft politisches Agieren genauso wie die jetzt zerstörten persönlichen Verhältnisse. Die Sehnsucht danach, dass dieser Krieg bald enden möge, erwachse auch aus der großen Dynamik des Geschehens. Doch weder die UNO noch die Bundesrepublik haben die Möglichkeiten und auch wegen ihrer ambivalenten Haltung die Kraft, auf ein Kriegsende durch Verhandlungen einzuwirken.

 

 

 

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