Hauptsache Energie!?
Grundfragen zu Strategien der Energieversorgung

Rückschau auf eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie Villigst und der Evangelischen Akademie im Rheinland in Kooperation mit Klima.Diskurs NRW

Die Herausforderungen sind klar: Klimawandel und die weltpolitische Lage führen deutlich vor Augen, dass der zügige Umbau unserer Energieversorgung und die effiziente Nutzung von Energie drängende Aufgaben sind. Immer klarer wird dabei auch, dass es sich dabei um Mammutaufgaben handelt, die auch mit Zielkonflikten und Zumutungen verbunden sind. In einer gemeinsamen Veranstaltungsreihe von November 2022 bis Mai 2023 haben die Evangelische Akademie Villigst und die Evangelische Akademie im Rheinland in Kooperation mit Klima.Diskurs NRW im Rahmen von online durchgeführten Abendveranstaltungen verschiedene wissenschaftlich-technische Herausforderungen und politische Strategien der Energieversorgung in den Blick genommen.

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Beginnend im November mit Martin Pein, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, und einem Überblick über den Status-Quo der weltweiten Energieversorgung und der Situation in Deutschland. Beleuchtet wurden ökologische, ökonomische und geopolitische Aspekte unterschiedlicher Energieträger und die jeweiligen bestehenden weltweiten Vernetzungen. So zeigte allein das Beispiel Flüssiggas, bei dem Europa auf dem Weltmarkt seit einem Jahr erheblichen Mehrbedarf geltend macht, welche Auswirkungen dies für die Versorgung anderer Länder hat.

Im Dezember skizzierte Dr. Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale NRW Fragen des Übergangs zu regenerativen Energien aus Verbrauchersicht. Auch wenn es sich im späten Frühling 2023 schon wieder weit weg anfühlen mag: Noch vor wenigen Monaten wurden intensive Diskussionen über zu schnürende Entlastungspakete und die gegebenenfalls notwendige Priorisierung von Gaslieferungen geführt. Der Ukrainekrieg hat Fragen nach den sozialen Kosten der kurz- und mittelfristigen Energieversorgung in hoher Dringlichkeit in den politischen Alltag gebracht. Im Vortrag und der anschließenden Diskussion wurde dabei deutlich, wie überproportional stark untere Einkommensschichten von Energiekosten belastet sind und wo welche politischen Maßnahmen ansetzen.

Ein zentrales Element der Transformation stand im Februar mit Prof. Dr. Anna Schenk, Universität Bayreuth, im Fokus. Grüner, also mithilfe erneuerbarer Energie gewonnener, Wasserstoff gilt als der Hoffnungsträger: als Speichermedium für eine gelingende Energiewende, als industriepolitische Lösung für Vorgänge, die sich nicht elektrifizieren lassen, als „sauberes“ Antriebsmittel für die Mobilität. An dem Abend wurden die Risiken und Nebenwirkungen, die Herausforderungen und Möglichkeiten des Wasserstoffs aus der Sicht einer Chemikerin vorgestellt, um vor diesem Hintergrund die Diskussionen um die Herstellung, den Transport und den Einsatz von Wasserstoff besser beurteilen zu können.

Nicht zuletzt das Beispiel Wasserstoff verweist darauf, dass Deutschland auch perspektivisch einen Teil seiner benötigten Energien wird importieren müssen. Um ebendiese Frage ging es im März im Gespräch mit Dr. Sascha Samadi, Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme im Wuppertal Institut. Im Vortrag zeichnete der Referent die noch bestehende hohe Importabhängigkeit und deren voraussichtlichen Rückgang durch den Ausbau Erneuerbarer Energien nach. Bei allem Rückgang, Import wird weiter notwendig bleiben, auch wenn es sich perspektivisch um den Import klimaneutraler Energieträger handeln wird. Um zu große Abhängigkeiten zu vermeiden, werden dabei diversifizierte Importstrukturen angestrebt und Energiepartnerschaften mit verschiedenen Ländern geschlossen.

Die Veranstaltungsreihe endete im Mai mit einem Thema, das es nicht oft in die erste Reihe schafft, aber ebenfalls von grundlegender Bedeutung ist: Die Frage der Infrastruktur. Unter der Überschrift „Welche Netze braucht das Land? Zur zukünftigen Entwicklung des Stromübertragungsnetzes in Deutschland“ skizzierte Dr. Malwin Niehus, Bundesnetzagentur, die Grundlagen und Herausforderungen der Strominfrastruktur in Deutschland. Sowohl die zunehmende Elektrifizierung von Industrie, Mobilität und Wärmeversorgung, als auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien setzt eine Infrastruktur voraus, die mit dem höheren Strombedarf und den neuen Herkünften des Stroms auch umgehen kann. Dabei handelt es sich um ein komplexes System – eingebunden in ein europäisches Stromversorgungsnetz – das permanent im Gleichgewicht zwischen Einspeisung und Entnahme gehalten werden muss. Nicht zuletzt geht es schlicht um den – stockenden – Ausbau von Leitungen, insbesondere mit Blick auf die Frage, wie der durch Windkraft im Norden erzeugte Strom in den Süden kommt.

Bei allen technischen Aspekten, die Transformation hin zur Klimaneutralität ist auch ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema. Daher widmet sich eine Fortsetzung der Reihe im kommenden Herbst und Winter der Frage, wie eine schnelle und ambitionierte Umsteuerung in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat, in einer Gesellschaft gelingen kann, die gewohnt ist, in langen Aushandlungs­prozessen und noch längeren Umsetzungsschritten zu denken und zu handeln. Unter der Überschrift „Aufbrüche und Hindernisse – Auf dem steinigen Weg eines umfassenden sozial-ökologischen Wandels“ werden an verschiedenen Abenden die unterschiedlichen Facetten einer gesellschaftlichen Transformation diskutiert. Wir würden uns freuen, wenn Sie dabei wären! Nähere Informationen zu den einzelnen Terminen finden Sie in den kommenden Wochen auf unserer Homepage und in den versandten Einladungen.

 

Hinweis: Die Vorträge von Frau Prof. Schenk und Dr. Sascha Samadi stehen hier zum Nachhören bereit.

Kontakt

Dr. Stefanie Westermann
02304 / 755 320
stefanie.westermann@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Straße 25
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