Hinweis: Die verlinkten Beiträge stehen zum Nachlesen oder -hören zur Verfügung.

Das mit der Zukunft ist so eine Sache. „Des Menschen ganzes Glück besteht in zweierlei: Dass ihm gewiss und ungewiss die Zukunft sei.“, so Friedrich Rückert.
Blickt man nach vorne, so wird der Blick unscharf. Die Zukunft ist ungewiss und mit Friedrich Rückert könnte man sagen: Was ein Glück und was ein Unglück. Fangen wir mit dem Unglück an: Menschen können das Ungewisse oft nicht gut aushalten. Werden sich unsere Hoffnungen und Erwartungen, unsere Ängste und Befürchtungen am heutigen Tag, in diesem Monat oder im nächsten Jahr erfüllen? Und können wir irgendetwas tun, um das Gewünschte wahrscheinlicher und das Unerwünschte unwahrscheinlicher zu machen?
In vielen Kulturen und schon seit vielen Jahrhunderten versuchen Menschen, sich diesen Zukunftsraum zu erschließen, zumindest partiell durchs Schlüsselloch zu schauen, um zu wissen, was denn kommen mag. Vielleicht um vorbereitet zu sein. Oder, um bestimmte kritische Zeitfenster, Weichenstellungen nicht zu verpassen. Astrologien haben eine sehr lange Geschichte. Bleigießen, Karten legen, aus der Hand lesen, in die Glaskugel schauen – es gibt vielfältige Versuche, sich dem Zukünftigen zu nähern.
Jenseits des privaten Verhältnisses zur Zukunft beschäftigen sich auch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen mit dem Zukünftigen – aus unterschiedlichen Perspektiven. Eben dieser vielfältige Blick auf das Morgen war Thema der gemeinsamen Online-Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie im Rheinland und der Evangelischen Akademie Villigst „Mehr Zukunft war nie – Zukunftsbilder und -erwartungen gestern, heute, morgen“.
Schaut man auf die täglichen Nachrichten und die Krisen und Katastrophen der Gegenwart, liest man die Prognosen, so wirkt es manchmal, als sei sie uns schon abhandengekommen, die Zukunft. Denn blickt man auf die derzeit verbreitete Stimmung, so scheint Zukunft als Raum des gestaltbaren Unbekannten immer weiter zu schrumpfen. Dass das so ist, ist seinerseits ein Krisensymptom und eine große Herausforderung für unsere demokratische plurale Gesellschaft. Grund genug, sich einmal ausführlicher mit verschiedenen Facetten von Zukunftsvorstellungen und -erwartungen und ihren Bedeutungen für unsere Gegenwart zu beschäftigen.
Den Auftakt machte der Blick des Historikers. Prof. Hölscher zeigte, dass Zukunft im Sinne eines gesellschaftlichen Zukunftsentwurfs jahrhundertelang im Grunde kaum eine Rolle spielte. Und als sie dann eine Rolle zu spielen begann, war sie nicht immer positiv, waren manche Aufbrüche in eine vermeintlich utopische Zukunft zum Preis einer dystopischen Gegenwart zu haben. So beispielsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Vorstellungen vom „neuen Menschen“, einer „neuen Gesellschaft“, voller gewaltvoller Ideen und einer teils gewaltvollen Praxis.
Zum Buß- und Bettag nahm Prof. Ulrich Körtner die letzten Dinge und die Frage nach der Zukunft aus theologischer Perspektive in den Blick. Und dabei auch die Unterscheidung von Adventus – dem, was verheißen ist – und Futurum, im Sinne einer Zukunft, die sich aus dem Jetzt entwickeln mag, quasi die Fortsetzung der Gegenwart. Sehr gegenwärtig wurde es im Dezember: Dass das mit der „Zukunftshoffnung Wachstum?“ und den ökonomischen Bildern von der Zukunft ein schwieriges Unterfangen ist, zeigt nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation der Gegenwart, die politischen Entscheidungen zeigen, dass es gleichwohl eine Hoffnung bleibt.
Schlechte Nachrichten haben es mit Blick auf die öffentliche Aufmerksamkeit in der Regel sehr viel leichter als gute Nachrichten. Und das scheint auch für unsere Vorstellungen von der Zukunft zu gelten. Die Faszination für das Böse, Desaströse, die Apokalypse scheint dabei in Wellenbewegungen durch die Jahrhunderte zu schwappen. Mit den Dystopien, aber auch den Utopien insbesondere in der Literatur beschäftigte sich im Januar der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Macho.
Jeder Einzelne macht sich seine Vorstellungen von der Zukunft, aber diese Zukunftsbilder sind in aller Regel eingebettet in ein Wir – Familie, Freunde, die Gesellschaft. Um die Frage, wie wir als Kollektiv mit dem Zukünftigen umgehen, und inwieweit und auf welchen Wegen wir es schaffen können, auch angesichts einer krisenhaften Gegenwart und herausfordernder Prognosen gemeinschaftlich Zukunftsräume zu gestalten ging es im soziologischen Beitrag im Februar. Prof. Dr. Berthold Vogel verwies dabei auf die Bedeutung des Lokalen, des vor Ort in den Kommunen Erfahrbaren als wichtigen Ausgangspunkt einer positiven Zukunftsgestaltung.
Ein Genre, in dem die Zukunft schon Gegenwart ist, ist Science-Fiction. 1984, Planet der Affen, 2001: Odyssee im Weltraum, die Liste ist lang. Und, so zumindest die These, es ist nicht reine Unterhaltung, die wir in den genannten Büchern und Filmen finden, wir verhandeln hier auch viel aus unserer Gegenwart, aus unseren gegenwärtigen Zukunftshoffnungen wie -ängsten. Und diese, so eine nächste These, wirken wieder auf uns zurück. Die Referentin Dr. Isabella Hermann drückt es so aus: „Science-Fiction liefert im Grunde zu jedem Thema, das uns aktuell bewegt, einen aus der Zukunft gedachten Gegenwartskommentar.“
Wie sieht es nun aus mit der Bedeutung unserer Zukunftsvorstellungen für unsere Gegenwart. Nach 6 Abenden wird zumindest eins deutlich: So bedrückend Vieles in der Gegenwart wie in den prognostischen Vorhersagen auch sein mag, die Zukunft ist und bleibt ein offener Raum. Und ist die Ungewissheit, so könnte man fragen, nicht letztlich doch auch ein großes Glück, weil sie eben immer auch Raum für Hoffnung lässt? Und weil letztlich die Ungewissheit und eben auch Unverfügbarkeit der Zukunft uns immer wieder dahinführt, dass der einzige Raum, den wir gestalten und erleben können, die Gegenwart ist.
Dr. Stefanie Westermann
02304 / 755 320
stefanie.westermann@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Straße 25
58239 Schwerte