Menschen und Wälder – eine ganz besondere Beziehung. Herausforderungen, Perspektiven und Lösungsansätze.

Rückblick: Villigster Waldtagung 2025

Villigster Waldtagung 2025_Wald_Winter_Fahrrad

Im März 2025 fand die diesjährige Villigster Waldtagung statt – eine gemeinsame Veranstaltung der Evangelischen Akademie Villigst und der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA). Und wenn ein Bericht über eine Tagung mit dem Titel „Menschen und Wälder – eine ganz besondere Beziehung“ klassisch beginnen würde, dann wäre das wahrscheinlich mit einem Goethe-, Morgenstern- oder Eichendorff-Zitat am besten gelungen, Herr von Eichendorff beispielsweise:

„Wie schön hier zu verträumen
Die Nacht im stillen Wald,
Wenn in den dunklen Bäumen
Das alte Märchen hallt.“

Ja, die Deutschen und ihr Wald – eine lange Geschichte. Tacitus Germania ist vielleicht schuld. Seitdem wird immer wieder „den Deutschen“, die es die allermeiste Zeit so gar nicht gab, eine besondere Beziehung zu ihrem Wald nachgesagt.

Jahrhundertelang war im Wald, je nach Perspektive, die Freiheit jenseits von Regeln zu finden oder auch Bedrohliches, Futter für die Schweine und vor allem ein zentraler Rohstoff, nicht nur für Häuserbau und Heizen, sondern auch für den Bergbau: Holz. Und in Abgrenzung der Nutzung und der beginnenden Industrialisierung konnte man einer Waldromantik nachsinnen, die allerdings bereits damals nicht den Realitäten der vielfachen Übernutzung des Waldes entsprach. Der Wald war und ist eben auch der Ort von Märchen und Weltabgewandtheit. Schon Achim von Arnim konnte Anfang des 19. Jahrhunderts vieles finden, was wir heute als Freizeitnutzende im Wald so suchen:  

„Im Walde, im Walde, da wird mir so licht,
Wenn es in aller Welt dunkel,
da liegen die trockenen Blätter so dicht,
Da wälz ich mich rauschend daunter,
Da mein ich zu schwimmen in rauschender Flut,
das tut mir in allen Adern so gut,
So gut ist’s mir nimmer geworden.
[…]
Im Walde, im Walde, da schrei ich mich aus,
Weil ich vor aller Welt schweige,
Da bin ich so frei, da bin ich zu Haus. […]“

So ähnlich könnte es heute auch in so manchem Waldbadenden-Flyer klingen …

Spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird das mit dem „Deutschen Wald“ zunehmend ernster. Rechte Kreise identifizieren eine vermeintliche Identität zwischen den Deutschen und ihrem Wald, in Abgrenzung zu europäischen Nachbarn, aber auch in Abgrenzung beispielsweise gegenüber Jüdinnen und Juden. Die Blut- und Boden-Ideologie der Nationalsozialisten verbindet sich eng mit dem deutschen Wald und auch heute dient der Wald in manchen rechten Kreisen wieder als Projektionsfläche.  

Diese kurzen Schlaglichter bringen uns schon mittenhinein in ein Verhältnis des Menschen, das an den Wald ganz unterschiedliche Ansprüche stellt. Waldnutzung, vor allem im Sinne von Holz, hat eine lange Tradition, seit etwa 250 Jahren auch die Wünsche von, sagen wir mal Erholungssuchenden. Erst seit einigen Jahrzehnten kommen auch die Belange des Natur- und Umweltschutzes, insbesondere Klimaschutzes ins Bewusstsein, spielt doch der Wald auch für Wasser, Luft und CO2 eine große Rolle. Und ja, es leben auch andere Lebewesen dort. Der Wald ist artenreicher Hotspot und diesen kleinen und großen Lebewesen geht es nicht gut.

So wies Dr. Britta Linnemann, Landesfachausschuss Wald, NABU NRW, auf den mittlerweile enormen Biodiversitätsverlust und daher auch die Bedeutung von Fragen des Biodiversitätsschutzes hin: Totholz stellt beispielsweise einen wichtigen Lebensraum dar, einheimische Bäume stabilisieren Ökosysteme. Bei Neupflanzungen sollten daher Bäume ausgewählt werden, die mit Blick auf die beiden Krisen sinnvoll seien, Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Es gelte, naturnahe Wälder als wichtige Lebensräume zu erhalten, zu schaffen und zu fördern.

Dass all das dringend nötig ist, kann man sehen und wissenschaftlich messen: Der Wald insgesamt ist in keinem guten Zustand, wie nicht zuletzt die Kalamitätsflächen im Sauerland zeigen. Gleichwohl: Wald kann nachwachsen. Mit Blick auf die Wiederherstellung von Waldlandschaften gilt dabei der Grundsatz, wie Prof. Dr. Norbert Weber, TU Dresden, ausführte: Je schlechter der Ausgangszustand, desto teurer und desto länger dauert es, die Ökosystemleistungen wiederherzustellen.

Nicht zuletzt geht es dabei auch um Eigentumsfragen, etwa die Hälfte des Waldes in Deutschland ist in Privatbesitz, in Nordrhein-Westfalen sind es über 60 Prozent, verteilt auf zum Teil viele Eigentümer*innen mit kleinen Flächen. Christoph Ewers, Gemeindewaldbesitzerverband NRW, wies darauf hin, dass die Belastungen für und die Ansprüche an den Wald und damit auch die Herausforderungen an die Waldbewirtschaftung noch nie so groß wie heute waren, zumal Wald und Forstwirtschaft wie kaum ein anderer Sektor mit dem Klima verbunden sind.

Gleichzeitig garantiert das Bundeswaldgesetz von 1975, dessen Novellierung bzw. Neufassung in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert ist, ein allgemeines Betretungsrecht, das allein in NRW für etwa 18 Millionen Einwohner*innen gilt, von denen ein relevanter Teil allein, in Begleitung, mit Hund oder Fahrrad gerne in den Wald geht. Und der Wald ist auch hier Wirtschaftsfaktor: Beschäftigte und Milliarden Euro Jahresumsatz hängen an ihm.

Es wundert also nicht, dass es bei all den unterschiedlichen Perspektiven auf und Ansprüchen an den Wald zu Konflikten kommen kann, zumal im Vergleich zu den vorherigen Jahrhunderten schwere Maschinen durch den Wald fahren und Menschen auf Fahrrädern, Apps im Zweifel Wege durch geschützte Bereiche vorschlagen und der Klimawandel den Druck auf das Ökosystem und damit auch auf einige Fragen der bereits angesprochenen Ökosystemleistungen und Nutzungsinteressen nochmals erhöht hat.

Bei allen unterschiedlichen Perspektiven und Interessen können wir uns wahrscheinlich alle – wie beispielsweise auch im Waldpakt 2.0 in Nordrhein-Westfalen – auf ein Ziel einigen: Einen resilienten, vielfältigen, zukunftsfähigen Wald. Wie der Weg dorthin aussehen kann, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen, Offenheit und Anpassungsfähigkeit sind daher auch mit Blick auf Gestaltungs- und Entwicklungsfragen wichtig. Über einige Leitplanken kann man sich hingegen verständigen. Und nicht zuletzt empfiehlt es sich, dass wir Menschen unser Verhältnis zum Wald noch einmal überdenken: Auch wenn er vieles kann, er kann nicht alles und auch nicht alles gleichzeitig sein. Ein maßvoller Umgang mit Holz, die Berücksichtigung von Schutzaspekten und ein Verhalten im Wald, das Rücksicht hierauf und die Bedürfnisse aller anderen Lebewesen dort nimmt, könnte helfen, damit wir auch in Zukunft durch die Wälder streifen können, um, wie Robert Walser es formuliert: „[…] zwischen seinen duft’gen Bäumen Zeit zu vergeuden und zu träumen.“

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