Wie lange dauert es, ein Windrad aufzustellen, eine Brücke zu sanieren, eine Industrieanlage zu bauen? Und wenn dies verhältnismäßig lange bis sehr lange dauert – welchen Anteil hat die Bürokratie daran? Kritik an der öffentlichen Verwaltung jedenfalls darf mittlerweile in keinem politischen Redebeitrag und keinem medialen Bericht fehlen, so der Eindruck. Positiv formuliert könnte man sagen, dass spätestens angesichts dieser Diskussionen nur allzu deutlich wird, welche Schlüsselstellung der öffentlichen Verwaltung für das Gemeinwesen und ihr Gelingen zukommt. Und in der Tat setzen zeitaufwendige Verfahren, komplexe Zuständigkeiten und mangelnde Digitalisierung die Nerven aller Beteiligten unter Spannung, von den sehr konkreten, nicht zuletzt ökonomischen, Auswirkungen ganz zu schweigen. Nachhaltige und grundlegende Veränderungen zu erreichen, scheint eine kaum lösbare Aufgabe zu sein.
Vor diesem Hintergrund haben die Evangelischen Akademie Villigst in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, dem KommunalCampus eG und der Konrad-Adenauer-Stiftung Regionalstelle Westfalen an verschiedenen Herbst-Donnerstagen zur Mittagsstunde die Online-Reihe „Verwaltet bis zum Stillstand? Chancen und Perspektiven einer Reform der öffentlichen Verwaltung“ angeboten. Dabei ging es bei den gut besuchten Veranstaltungen mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Kommunen um theoretische wie sehr praktische Perspektiven, von den rechtshistorischen Entwicklungen der öffentlichen Verwaltung und ihren Reformbemühungen bis zu den Ideen und konkreten Ansätzen in Hamburg und Ahaus.
Der Ruf nach Reformen in der öffentlichen Verwaltung ist dabei nicht neu, und doch bekommt er nicht zuletzt angesichts der großen Herausforderungen und der gestiegenen Anforderungen an die Verwaltung eine neue Brisanz. Die vorhandenen Lösungen passen nicht mehr zu den komplexer werdenden Aufgabenstellungen. Hinzu kommen Personalmangel und die Aufgabe, digitale Abläufe zu implementieren, ohne dabei Bürgerinnen und Bürger auszuschließen. Nicht nur in den Beiträgen der Vortragenden, auch im regen Chatverlauf während der Veranstaltungen wurde deutlich, dass es dabei sehr darauf ankommt, Mitarbeitende zu Veränderungen zu motivieren, und im Zweifel auch die Vorgesetzten nicht zu vergessen.
Dass mit Blick auf Zuständigkeiten, Abläufe und insbesondere digitale Lösungen die Schnittstellen zwischen Kommunen, Land und Bund verbessert werden müssen, dass es sich aber vielleicht auch lohnt zu fragen, wo die Kernaufgaben der jeweiligen Verwaltung liegen, welche Prozesse ein menschliches Gegenüber unbedingt benötigt und wo vielleicht auch Aufgaben zusammengelegt, abgegeben oder rein digital gelöst werden können.
Die Herausforderungen, vor denen die öffentliche Verwaltung steht, sind enorm. Das sollte man auch als vielleicht genervtes Gegenüber nicht vergessen, geht es doch um Reformen im laufenden Prozess mit wenig finanziellen und personellen Ressourcen. Ein Instrument können Innovations- und Reallabore sein, die es erlauben, veränderte Prozesse etc. zu testen. Reichen werden solche Ansätze nicht, schließlich geht es um – breit anerkannt – große Veränderungsnotwendigkeiten und eher zunehmende als weniger werdende Anforderungen an die Verwaltung. Jetzt und perspektivisch wird die Innovationsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der in ihr tätigen Menschen zentral sein – für das ganze Land.
Dr. Stefanie Westermann
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