Einen Schwerpunkt stellen alle ethischen Fragen im Kontext des Lebensendes dar. Hierzu zählen die Problemfelder des selbstbestimmten Sterbens und der palliativen und hospizlichen Versorgung, des assistierten Suizids und der Hilfe zum Sterben („Sterbehilfe“). Wie können Würde und Wert des Lebens in Situationen schwerer Krankheit und im Sterben gewahrt werden? Lassen sich Selbstbestimmungsrecht und Lebensschutz zusammen denken? Und welche Bedeutung hat der religiöse und weltanschauliche Horizont für diese Fragen? Welche Perspektiven bringen biblische, theologische und kirchliche Deutungen des menschlichen Lebens ein und wie lassen sie sich mit anderen Menschenbildern ins Gespräch bringen? Auch der Umgang mit rechtlichen Rahmenbestimmungen sowie die Debatten über neu zu verhandelnde Gesetze sind Gegenstand der Akademie-Veranstaltungen.
Ein weiterer Themenbereich sind alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit Organspenden stellen: die Frage nach einer gerechten Verteilung von Spenderorganen und ihren möglichen Kriterien, das Verhältnis von medizinischen Beurteilungen und ethischen Bewertungen, der politische und der rechtliche Umgang mit der Transplantationsmedizin und dem Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger („Organspendeausweis“). Ebenso gehört hierher auch die Frage nach dem Tod und den Kriterien des Todes („Hirntodkriterium“, „Ganztod“), der gesellschaftlichen Akzeptanz solcher Kriterien und einer Praxis der Organtransplantation.
Teil einer Ethik des Lebens sind auch die zukunftsentscheidenden Fragen im Kontext von Pflege. Eine Ethik der Sorge/Care-Ethik, das heißt eine Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die eine wachsende Zahl von Pflegebedürftigen bringt, ist engstens verbunden mit grundlegenden gesellschaftspolitischen, religiösen und existentiellen Fragen zum Menschenbild und dem Verhältnis von Autonomie und Fürsorge, von Leistungsfähigkeit und Abhängigkeit. Zentral sind zudem Fragen nach dem Wert des Lebens und der Bedeutung von Gesundheit, Krankheit und Einschränkungen.
Viele dieser Fragen stellen sich bereits am Beginn des Lebens. So hat der medizinisch-technische Fortschritt die Grenze der Lebensfähigkeit eines Fötus in die 23./24. Schwangerschaftswoche verschoben. Was bedeutet eine solche Frühgeburtlichkeit für das Kind, die Eltern, die Familie und die Gesellschaft? Gibt es ethische Grenzen des technisch Machbaren? Woher können hierfür Kriterien genommen werden? Wie ist es andererseits zu bewerten, dass die Pränataldiagnostik die Möglichkeiten erweitert, Krankheiten und Behinderungen vorgeburtlich festzustellen? Was und wieviel soll therapiert werden?
Ein bedeutendes Feld ist auch der immer größer werdende Bereich der Gentherapie, die in der Reproduktionsmedizin zum (noch begrenzten) Einsatz kommt. Hierher gehören Fragen nach dem Status und der Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos: Darf man in Embryonen nach Gendefekten suchen? Darf die menschliche Keimbahn zur Heilung von Erbkrankheiten gezielt verändert werden? Müssen wir infolgedessen „Heilung“ neu definieren? Darf der Menschen bewusst im Rahmen der Transhumanismusbestrebung „optimiert“ werden? Ist der Mensch dann noch er selbst? Zur Diskussion steht immer wieder auch, um welchen Preis gentherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden dürfen – oder ob überhaupt; welche Rolle dabei Kosten-Nutzen-Kalkulationen spielen und wie es um die Folgenabschätzung steht.
Damit ist der gentherapeutische Bereich in der Medizin paradigmatisch für die Grundfrage, die immer mit bedacht, im Diskurs erörtert und auf Menschenbilder, Wertedebatten und Risikoprognosen bezogen werden muss: Wo liegen überhaupt Grenzen des technisch Machbaren? Wie verhalten sich endliche Mittel und unendliche Möglichkeiten in der Medizin zueinander? Und was ist der Mensch – welchen Wert hat sein Leben und wie sind Würde und Verletzlichkeit aufeinander zu beziehen?
Dr. Friederike Barth
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