Rückblick:
Bilateral – Multilateral – allen egal? Wer bezahlt Klimaschutz und Klimaanpassung im Globalen Süden?

Unter diesem Titel beschäftigte sich eine Online-Tagung des Instituts für Kirche und Gesellschaft (IKG) in Zusammenarbeit mit Misereor und der Klima-Allianz-Deutschland am 29. und 30. August mit der Frage, wie die finanziellen Mittel für Klimaanpassung, -schutz und die Kompensation von klimabedingten Schäden und Verlusten in Ländern des Globalen Südens aufgebracht werden können.

Münzen, Blatt, Finanzen, Windräder, Geld, Klima

Zu Beginn drei Grundannahmen: 1. Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Anpassung an den Klimawandel und zur Kompensation von Klimawandel-bedingten Schäden und Verlusten benötigen Geld, sehr viel Geld, „von Milliarden zu Billionen“ ist hier das Stichwort der Internationalen Klimaverhandlungen. 2. Dem Globale Süden fehlen die Möglichkeiten, diese Mittel in der benötigten Höhe zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sind die entsprechenden Länder besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, und dass, obwohl sie historisch kaum hierzu beigetragen haben, mit Ausnahme einiger Schwellenländer in jüngster Zeit vielleicht. 3. Um die globale Erwärmung aufzuhalten, sind enorme CO2-Reduktionen und für unvermeidbare Restemissionen auch der Erhalt beziehungsweise die Wiederherstellung von Senken, beispielsweise Wäldern, notwendig, die CO2 binden. Wo dies global geschieht, ist zumindest für den Klimawandel unerheblich.

Wenn wir davon ausgehen, dass diese Aussagen korrekt sind – und nach allem, was wir aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen wissen, sind sie es – dann lässt sich schwer verstehen, warum die internationale Klimafinanzierung weit davon entfernt ist, auch nur annähernd die Mittel für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden aufzubringen; es sei denn, man berücksichtigt die (globalen) polit-ökonomischen Hintergründe.

Es ist kaum zu bestreiten, dass Industrieländer hierbei eine hohe moralische Verantwortung haben – aber, wie hoch, monetär gesehen, ist diese genau? Was ist mit den sogenannten Schwellenländern? Und sind Kredite zur Finanzierung entsprechender Maßnahmen eine Lösung, oder verschlimmern diese am Ende die Schuldenkrise, unter denen viele Länder des Globalen Südens ohnehin leiden? Ist es eine gute Idee, Ländern des Globalen Nordens in größerem Umfang die Möglichkeit zu geben, in Klimaschutz im Globalen Süden zu investieren, und dies auf ihre eigenen Klimaziele anrechnen zu lassen? Und, noch längst nicht der letzte Punkt, was ist eigentlich mit den Rechten der vor Ort lebenden Bevölkerung, wenn beispielsweise Land für Wiederaufforstung etc. verwendet werden soll, dies aber den lokalen Nutzungsinteressen der Menschen widerspricht?

Beschäftigt man sich mit der internationalen Klimafinanzierung im weiteren Sinne, dann, so hat es die Tagung gezeigt, sind die Grundannahmen oftmals schnell plausibel, die Details möglicher Lösungsansätze hingegen eröffnen viele Fragen und bieten viel Konfliktpotential. Das beginnt bereits mit zwei derzeit auseinanderlaufenden Entwicklungen: Während auf der einen Seite Länder des Globalen Südens darauf hinweisen, dass sie sehr viel mehr Geld als jetzt benötigen („von Milliarden zu Billionen“), um die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, werden in vielen Ländern des Globalen Nordens diese internationalen Zahlungen eher verringert oder gar ganz eingestellt, gerade wenn sich die Auseinandersetzung um die Verteilung zunehmend knapper finanzieller Ressourcen verschärft. Und dabei, auch das wurde im Rahmen der Tagung deutlich, geht es nicht nur um Klimaschutz und -anpassung und Gerechtigkeitsfragen, sondern auch um Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) insgesamt. Es geht also unter anderem auch darum, weltweit Armut zu verringern, Bildung zu ermöglichen und Gesundheit zu verbessern.
Schlaglichtartig beleuchtete die Tagung unterschiedliche Akteure, staatliche wie private, (multilaterale) Entwicklungsbanken und internationale Fonds und die jeweils damit verbundenen Ansätze und Herausforderungen. Auch die Rolle internationaler Gerichte wurde angesichts des jüngsten Gutachtens des Internationalen Gerichtshofes zum Menschrecht auf Klimaschutz und etwaige Schadensersatzansprüche des Globalen Südens an den Norden intensive debattiert. Hingewiesen wurde zudem auf die große Bedeutung eines verstärkten Technologietransfers, aber auch auf die Notwendigkeit, dass die Bundesregierung die zugesagten 6 Milliarden Euro Klimafinanzierung in diesem Jahr tatsächlich zahle und diese Zahlungen in den kommenden Jahren sukzessive erhöhe, bis 2030 auf 12 Milliarden.

Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob die beispielsweise in Deutschland für den Klimaschutz eingesetzten Milliarden in der – letztlich entscheidenden – globalen Perspektive tatsächlich hier am sinnvollsten eingesetzt sind, oder ob es sich hierbei eher um eine Art „Klimanationalismus“ handle, der eine zumindest ökonomisch ineffiziente Verwendung der knappen Mittel darstellen würde.
Um die enorme Finanzierungslücke zu schließen, gibt es verschiedene konkrete Vorschläge, vom Abbau klimaschädlicher Subventionen bis zur Einführung einer globalen Milliardärssteuer. Ob die kommende Weltklimakonferenz in Brasilien, die COP 30, mit Blick auf die internationale Klimafinanzierung zu konkreteren Lösungsansätzen kommen und zumindest eine Annäherung an die notwendigen Summen für die Internationale Klimafinanzierung gelingen wird, wurde eher bezweifelt. Gleichwohl, so bestand Einigkeit unter Expert*innen und Teilnehmer*innnen, bleibt die Lösung dieser Fragen für den Klimaschutz und die Klimaanpassung von zentraler Bedeutung.

2023_Rudolph_Sven_Porträtbild_NEU

Dr. Sven Rudolph, Referent für sozial gerechte Klima- und Energiepolitik

2022_Westermann_Stefanie_Porträtbild

Dr. Stefanie Westermann, Studienleiterin für Naturwissenschaft, Technik und Ethik

Kontakt

Dr. Sven Rudolph
02304 / 755 349
sven.rudolph@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Straße 25
58239 Schwerte

Dr. Stefanie Westermann
02304 / 755 320
stefanie.westermann@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Straße 25
58239 Schwerte