Nach zwei Wochen zäher Verhandlungen mit Verlängerung endet die 29. Weltklimakonferenz (COP29) in Baku, Aserbaidschan, am Totensonntag in den frühen Morgenstunden. Doch die Ergebnisse der „Finanzierungs-COP“ enttäuschen viele Experten. Zwar wurde eine neue Unterstützungszusage gemacht: Die vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten des Globalen Südens erhalten von den Industrieländern bis spätestens 2035 jährlich 300 Milliarden US-Dollar. Für nötig hielt der Globale Süden aber eine internationale Klimafinanzierung von 1,300 Milliarden. Zudem wurden keinerlei neue Zusagen vom Ausbau der erneuerbaren Energien oder zum Ausstieg aus den fossilen Energien gemacht. Damit fällt die COP29 sogar hinter die Vorgänger-Konferenz in Dubai 2023 zurück. Allein für den internationalen Emissionshandel, geregelt unter Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens, wurden die Regeln finalisiert.
Hierzu Dr. Sven Rudolph, Klimapolitikexperte des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen und Sprecher der Klima-Allianz Deutschland: „Die COP29 ist weitgehend gescheitert, nicht zuletzt an der Verhandlungsführung der Gastgeber. Angesichts der zunehmenden Klimaschäden im globalen Süden und der immer noch steigenden Emissionen aus den Industrie- und Schwellenländern ist dies eine Schande. Wichtig gewesen wäre ein deutliches Signal an den Globalen Süden, dass die Industrieländer ihre Verantwortung für den Klimawandel und die Finanzierung der Bekämpfung und Anpassung ernst nehmen. Stattdessen werden die Staaten des Globalen Südens mit Almosen abgespeist. Dies ist besonders verheerend, da auf der nächsten COP strengere Emissionsreduktionsziele gesetzt werden sollen, auch für die Länder des Globalen Südens. Ihre Zustimmung dazu wird von weiteren Finanzierungszusagen abhängen. Und so bleibt zu hoffen, dass die nächste COP unter der Präsidentschaft Brasiliens die Finanzierungslücke schließen und das Vertrauen des Globalen Südens zurückgewinnen kann, das Vertrauen in eine global gerechte Bewältigung des menschgemachten Klimawandels. Welche Finanzierungsmöglichkeiten es aus deutscher Perspektive konkret gibt, dazu hat die Klima-Allianz Deutschland gerade eine Studie veröffentlicht. Der Verhandlungserfolg Brasiliens beim jüngsten G20-Gipfel weckt hier Hoffnung, gelang es doch überraschenderweise, u.a. eine Einigung über eine globale Besteuerung von Superreichen zu erzielen. Die Beteiligung der immer noch Milliardengewinne erwirtschaftenden fossilen Industrien an der internationalen Klimafinanzierung wäre so ein nur konsequenter Schritt.“
Schon im Vorlauf stand die COP29 unter einem denkbar ungünstigen Stern. Traditionsgemäß oblag die Ausrichtung dieses Jahr einem osteuropäischen Staat. Da Russland aber seine Teilnahme verweigerte für den Fall, dass ein ukrainefreundlicher Staat die Konferenz ausrichtete, fiel die Wahl auf Aserbaidschan. Der Staat am Kaspischen Meer gilt als autokratisch geführter Ölstaat. Aserbaidschan ist einer der größten Öl- und Gaslieferanten der Welt und hat sich jüngst mit der Vertreibung der Armenier*innen aus Bergkarabach kaum als proaktiver Akteur einer friedvollen Weltgemeinschaft präsentiert. Die COP-Präsidentschaft hatte zudem Mukhtar Babayev inne, ein expliziter Befürworter der Ölförderung – ähnlich wie der aserbaidschanische Staatschef Ilham Aliyev, der Öl- und Gasvorkommen als „Geschenk Gottes“ bezeichnete, das „die Menschen brauchen“. Die Verhandlungsführung durch die Präsidentschaft war dementsprechend heftiger Kritik ausgesetzt, ihr wurde sogar vorgeworfen den „Betrug“ an den Ländern des Globalen Südens unterstützt zu haben. Verstärkt wurde der Einfluss der fossilen Lobby durch eine äußerst großzügige Zuteilung von Konferenz-Akkreditierungen an Vertreter eben dieser Akteure. Fast 1.800 Lobbyisten der fossilen Industrie durften an der COP29 teilnehmen. Damit überstieg deren Anzahl die Teilnehmer*innenzahl fast jeder einzelnen Länderdelegationen und auch die der zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zusammen.
Hierzu kommentiert Rudolph: „Der Einfluss der fossilen Lobby auf die internationalen Klimaverhandlungen hat unappetitliche Formen angenommen. Mit globaler Gerechtigkeit oder Generationengerechtigkeit hat dies nichts mehr zu tun. Trotzdem bleibt der UN-Prozess unersetzbar, ist er doch die einzige Möglichkeit, alle Länder der Welt an einen Tisch zu bringen, um miteinander über Lösungsstrategien für die Klimakrise zu sprechen. Allerdings muss über Reformen des Prozesses nachgedacht werden, beispielsweise über eine ausbalancierte Interessensvertretung und die Begrenzung der Beteiligung der fossilen Lobby. Auch die Auswahl der Ausrichterstaaten könnte sich u.a. an Kriterien der Klimaverträglichkeit der Kandidaten orientieren. Mehr Prozessgerechtigkeit ist hier dringend geboten!“
Dr. Sven Rudolph
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