(KF)„Flaggen, Themen und Personen – darin unterscheidet sich queere Jugendarbeit von anderer, so zumindest lautet meine aktuelle Arbeitshypothese. Symbole sind dabei das Vordergründigste. So wie sich Christ*innen vor 2000 Jahren unter römischer Besatzung den Fisch als Symbol in den Sand oder an Haustüren malten, um einander zu erkennen und sich beieinander sicher zu fühlen, so ist auch in der queeren Community die Regenbogenflagge zum Erkennungszeichen von sicheren Räumen für LGBTIQ+-Personen geworden.“
NR: Was sind sichere Räume für Sie und wie schaffen Sie diese?
„Sichere Räume sind Orte mit einem sehr deutlich kommunizierten Wertekonsens, in welchem dann bspw. evangelische Jugendarbeit geschehen darf. Es ist relevant, dass wir einen Konfitag zum Thema Liebe und Freund*innenschaft planen, während über uns die Flagge wacht und Plakate an der Wand die Menschenrechte hochhalten. Das setzt ein Rahmen. Wir müssen nicht die ganze Zeit explizit darüber reden, wer queer ist und wer nicht. Es ist nicht das Queer-Sein, was Akzeptanz und Sicherheit schafft, es ist der queere Rahmen. Dafür sind Symbole tragkräftige Boten, welche performative Kraft besitzen und so Räumen und den Menschen, die in ihnen reden, fühlen, planen gleichzeitig Weitblick für unterschiedliche Lebensrealitäten geben und das eigene Genau-Richtig-Sein verbildlichen.“
NR: Welche Themen beschäftigen Sie in der queeren Jugendarbeit?
„Mit den Themen in der Jugendarbeit erscheint es mir so, dass sie kommen und gehen mit den Menschen, die über die Türschwelle treten. Um unsere Themen nach außen zu tragen, suchen wir uns bewusst oder unbewusst unsere Orte aus. Denn die eigenen Themen durch die Kommentare anderer in Scherben liegen zu sehen, das mag kein Mensch. Als Beispiele explizit queerer Themen kommen mir ‚Beziehung und sexuelle Orientierung‘, ‚Reaktion von Familie und Freund*innen,‘ ‚Ausgrenzungserfahrungen‘ und ‚News aus der Community‘ in den Sinn.
NR: Und welchen Ort haben diese Themen im theologischen Diskurs?
„Unsere Themen gehören zu uns Menschen und somit gehören sie auch vor G*tt. Die Transzendenz kann uns helfen, Themen, die wir schwer denken oder sagen können, auch wenn sie ganz und gar zu uns gehören und in unserem tiefsten Inneren nur süß schmecken, als gerechtfertigt anzusehen. Unsere Themen sind im Himmel wohl bekannt – die reizenden und die beschämenden, die gefährlichen und die wohltuenden.“
NR: Wer sind die Menschen, die zu Ihren Angeboten kommen?
„Die Menschen in einer queer gerahmten Jugendarbeit sind alle, die Du Dir vorstellen kannst. Sie sind queer und nicht queer, mal lustig aufgelegt, mal todtraurig, sie schreiben dieselbe ‚ZP10‘ wie alle anderen. Vielleicht sind sie ein bunterer Haufen, manchmal verletztere Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, aufgrund ihrer Queerness oder etwas anderem. Sie suchen Schutz, Ruhe und Akzeptanz und gewähren dies anderen, die sich ebenfalls danach sehnen."
NR: Gibt es eine Möglichkeit Sie zu besuchen, wenn eine*r nun neugierig geworden ist?
„Einladen kann ich alle neugierigen Jugendlichen und Erwachsenen zum nächsten queeren Gottesdienst am 30.11.24 um 15:30 Uhr in die Gymnasialkirche in Recklinghausen.“
Nicole Richter
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