Gedenktage, Utopien und was sie uns bringen

von Nicole Richter

Jedes Jahr im März erinnern wir an frauenpolitische Aktions- und Feiertage. Den Anfang macht der Weltgebetstag, eine Bewegung von christlichen Frauen weltweit, über Konfessions-, Alters- und Ländergrenzen hinweg. Immer am ersten Freitag im März beschäftigt sich der Weltgebetstag mit der Lebenssituation von Frauen eines anderen Landes und das seit mittlerweile 130 Jahren.

Der Equal Pay Day (EPD) wurde in diesem Jahr am 7. März begangen. Er ist der internationale Aktionstag zur gerechten Bezahlung von Frauen und Männern. Der EPD zeigt symbolisch auf, dass Frauen bis zum 7.3.23 unentgeltlich gearbeitet haben, während Männer bereits am 1.1.23 ihr Geld bekommen haben. Zu feiern ist dieser Tag in Bezug auf faire Bezahlung von Frauen und Männern nicht, denn wie jedes Jahr weisen frauenpolitische Organisationen auf die stetige Ungerechtigkeit hin. Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat es anlässlich des EPD 2023 pointiert zusammengefasst: „Wir leben nach wie vor im Patriarchat, von dem wir uns verabschieden müssen“.

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Auf die prekäre Lebenssituation von Frauen weltweit erinnert vor allem der 8. März. Der Internationale Frauentag ist ein Kampftag für die Frauenrechte weltweit. Die Organisation UN Women hat in diesem Jahr ein Gedankenspiel eröffnet und nach unserer feministischen Utopie gefragt: „Was wäre, wenn wir in einer gerechten Welt ohne Gewalt und Unterdrückung leben würden? Was wäre, wenn das System in dem wir leben, neu gedacht und feministisch wieder aufgebaut würde? Wie können wir diese Welt gemeinsam gestalten?

Eine Frau, die eine feministische Utopie bereits Realität werden lässt, ist die Unternehmerin, Autorin und Aktivistin Kristina Lunz. In ihrem Buch „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch“ denkt sie Frieden, Menschenrechte und Gerechtigkeit zusammen mit Außenpolitik und will so einen Paradigmenwechsel einleiten. „Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft, deshalb steht ihnen die Hälfte der Macht zu. Was wir auch brauchen, ist eine Außenpolitik, die dazu beiträgt, Ungerechtigkeiten abzubauen.“, so Kristina Lunz. Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze greifen den Ansatz auf und setzen sich für eine stärker feministisch ausgerichtete Perspektive in allen Bereichen der deutschen Außenpolitik ein. Sie haben kürzlich neue Leitlinien für eine umfassende feministische Außenpolitik als Arbeitsprinzip im Auswärtigen Amt vorgestellt. So sollen zum Beispiel in Friedensmissionen, mehr Frauen eingebunden werden und die Gleichberechtigung von Frauen konsequent gestärkt werden. Auch die Vergabe von Projektmitteln soll unter Berücksichtigung von Kriterien zur Gendersensibilität geschehen. Das Konzept „Feministische Außenpolitik“ ist eigentlich nicht neu, sogar fast 100 Jahre alt, aber es wird durch neue frauenpolitische Stimmen derzeit intensiv diskutiert. Was bringen nun all die Gedenk- und Aktionstage, Utopien und Visionen? Ich glaube, sie bieten die Möglichkeit auf gesellschaftliche Missstände und Entwicklungsmöglichkeiten hinzuweisen. Sie sind ein Ritual. Sie halten unsere Erinnerungskultur wach und berühren dabei wunde Punkte, an denen Entwicklungen notwendig sind. Sie sind Platzhalter für gesellschaftliche Zeitansagen. Der Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel hat einmal erklärt, warum eine Erinnerungskultur für ihn unverzichtbar ist: „Ohne Erinnerung gibt es keine Kultur. Ohne Erinnerung gäbe es keine Zivilisation, keine Gesellschaft, keine Zukunft.“

Trotz aller Gedenk- und Aktionstage braucht es auch konkretes politisches Handeln und die Umsetzung im realen Leben. „Wann sind wir endlich gleichberechtigt?“, haben die Menschen der Organisation Pinkstinks (www.pinkstinks.de) gefragt. Das Weltwirtschaftsforum hat es für den Global Gender Gap Report 2022 ausgerechnet: Es dauert noch 131 Jahre, wenn es so weiter geht wie bis jetzt. Und ohne Investitionen wird die Gleichstellung der Geschlechter fast 300 Jahre dauern, prognostizieren die Vereinten Nationen. Zeigt: Noch brauchen wir sie, die Gedenk-, Aktions- und Kampftage! Und noch mehr die Visionen, die Realität werden.

Nicole Richter, Gleichstellungsbeauftragte der EKvW und Leiterin des Fachbereichs „Frauen, Männer, Vielfalt“ im IKG

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Nicole Richter, Gleichstellungsbeauftragte der EKvW

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