„Wir brauchen eine sexuelle Revolution in der Kirche!“, so formulierte es der Schweizer Theologe und Autor Pierre Stutz im Zentrum Geschlechterwelten und Regenbogen beim Kirchentag in Nürnberg. In der Veranstaltung „Vielfältig lieben“ verdeutlichte er, was er damit meint. „Es geht darum, die spirituelle Kraft der Liebe neu zu entdecken und Eros zu feiern.“ Dazu gehört es, einen achtsamen Umgang mit sich und dem eigenen Körper zu pflegen, sensibel zu sein für die eigenen Bedürfnisse und auch für die Grenzen. Das Gebot: „Liebe deine*n Nächste*n wie dich selbst“ wird von vielen Menschen nur in der Betonung auf dem ersten Teil verstanden. Doch wer den/die Nächste lieben will, muss zunächst mit der radikalen Selbstannahme und Selbstliebe starten, so Pierre Stutz in seinem Vortrag. Erst durch die Selbstliebe, kann wirkliche Nächstenliebe gelingen. Inspiriert von seinen Gedanken kamen anschließend die Podiumsgäste miteinander ins Gespräch. Unter ihnen war unter anderem Janina Gruß, Referentin im Amt für Jugendarbeit der EKvW. Sie beschrieb, wie aus ihrer Sicht eine sexuelle Revolution in der Kirche gelingen kann. Sie arbeitet in einer NRW-weiten Projektstelle mit dem Schwerpunkt „Sexuelle Bildung“ und setzt sich dafür ein, dass das Recht auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Kinder und Jugendliche gilt und in der Evangelischen Jugendarbeit einen Raum bekommt.
„Als Mensch sind wir nicht nur Geist und Seele. Sondern auch Körper, auch Geschlecht und Begehren.“, so formuliert es Mareike Gintzel, Pfarrerin aus Witten. Sie setzt bereits Zeichen für einen neuen Umgang mit dem Thema in ihrer Gemeinde – zusammen mit den Menschen vor Ort. Sie veranstaltet z.B. queere Gottesdienste und bezieht das Thema „sexuelle und geschlechtliche Identität“ bewusst in die Arbeit mit Konfirmand*innen ein.
Weitergeführt wurde das Thema in geschlechtergetrennten Workshops, die Safer Spaces für den Austausch über Glaubenssätze und Sexualität boten. „Besonders war hier das gemeinsame Gespräch zwischen den Generationen“, so Nicole Richter, Fachbereichsleiterin Frauen, Männer, Vielfalt im IKG und Mitglied der Projektleitung des Zentrums.
Bei dem Podium ´Alles eine Frage der Perspektive´ kamen drei Fachmenschen zu Wort, die unterschiedliche geschlechtersensible Theologien im Rahmen eines Speeddatings vorstellten: Feministische Theologie, Theologie aus Männerperspektive und Queersensible Theologie. Testimonials aus Westfalen hatten zuvor in Video-Statements formuliert, was ihnen zum Beispiel die Entdeckung der Feministischen Theologie bedeutet.
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