Asylpolitisches Forum 2021: 70 Jahre Genfer Flüchtlings-
konvention – Ist der Flüchtlingsschutz noch zu retten?

19.01.2022

Seit 1951 sind die Rechte und der Schutz von Menschen auf der Flucht völkerrechtlich in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert. Doch wie ist es um die Ausgestaltung und Umsetzung dieser Rechte bestellt?

Asylpolitisches Forum 2021_Savvapanf_Adobe Stock

Dieser Frage gingen beim Asylpolitischen Forum 2021 vom 10.-12.12.21 die 112 Teilnehmenden und Referierenden nach.

Diese jährlich von Amnesty International, PRO ASYL, Flüchtlingsrat NRW, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und der BAG Asyl in der Kirche mit dem Institut für Kirche und Gesellschaft durchgeführte Tagung musste pandemiebedingt online durchgeführt werden, stieß aber dennoch auf ungebrochenes Interesse.

Die Teilnehmenden erlebten eine Fachtagung auf hohem Niveau und mit politischer Aktualität, da auch die aktuellen Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik in der EU, Deutschland und NRW, berücksichtigt wurden.

Durch die Pushbacks an den Außengrenzen der EU, den massenhaften Bruch des Völkerrechts an der polnisch-belarussischen Grenze wird immer sichtbarer, dass in der Europäischen Union die Werte Flüchtlingsschutz, Menschenwürde, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einem eklatanten Verfall unterliegen. Faktisch hat sich die rassistische Abschottungspolitik Ungarns und Polens in der EU durchgesetzt – ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Genfer Flüchtlingskonvention 70 Jahre alt wird.

Im Gespräch zwischen Gerald Knaus, dem Architekten des EU-Türkeideals, Wolfgang Grenz von Amnesty International und Dr. Roland Bank vom UNHCR wurde am ersten Abend der Frage nachgegangen, ob und wie der Flüchtlingsschutz in Europa noch zu retten ist. Dabei stieß die pragmatische Position von Gerald Knaus auf die Grundsatzposition bei den anderen Referenten und der Mehrheit des Publikums, dass völkerrechtlich verbindliche Geltung der GFK nicht unterlaufen werden darf.

Auch in Deutschland und in NRW  ist ein Werteverfall  zu verzeichnen gewesen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist noch deutlicher geworden, dass das monate- bis jahrelange Festhalten von Schutzsuchenden in Sammellagern in Deutschland dem Schutz von Leib, Leben und Freiheit und einem fairen Asylverfahren widerspricht. Das Bereithalten von Geflüchteten zur Abschiebung in Landesunterkünften hat anscheinend Priorität vor dem ungehinderten Zugang zu Rechtsschutz, schulischer Bildung und gesundheitlicher Versorgung.

Ein Signal der Veränderung ist der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, der sich zur Genfer Flüchtlingskonvention und den europäischen Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz bekennt und bessere Bleiberechtsmöglichkeiten für Geduldete schaffen will. Dieses aus den Reihen der Politik ungewohnte Signal für mehr Humanität und weniger Abschottung wurde von vielen Referent:innen aufgegriffen.

Ein wichtiger Baustein der Tagung war die Möglichkeit mit dem zuständigen Landesministerium für Flüchtlinge und Integration in den Dialog einzutreten. Die zuständige Abteilungsleiterin Carola Holzberg aus dem MKFFI stellte sich dieser Diskussion auf dem virtuellen Podium am Samstagnachmittag in der Diskussion mit der Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW Birgit Naujoks.

Am Samstagvormittag gab Autor und Konfliktforscher Martin Gerner einen aktuellen Einblick in die Situation in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban. Des Weiteren standen die Themen struktureller Rassismus und Landesunterbringung in NRW im Fokus. Am Samstagnachmittag konnten aktuelle Themen rund um Asylverfahren und Aufenthaltsrecht in Arbeitsgruppen vertieft werden.

Am Sonntag standen Praxisbeispiele der Flüchtlingsarbeit im Mittelpunkt, u.a. wurde auf die Entwicklungen im Kirchenasyl, Forderungen zum Bleiberecht für Roma und verschiedene Aktionen zum Flüchtlingsschutz geblickt.

Von den Teilnehmenden wurden im Feedback besonders der intensive fachliche und politische Austausch und die Möglichkeit der Beteiligung über den Chat wertgeschätzt. Alle brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass beim nächsten Asylpolitischen Forum im Jahr 2022 wieder in Treffen in Präsenz möglich ist, da die informelle und persönliche Begegnung als Wesensmerkmal dieser Veranstaltung durch nichts zu ersetzen ist.

Im Folgenden stehen alle Vorträge und Materialien zum Download zur Verfügung.

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Helge Hohmann

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Marion Kuhn-Ziemann

Downloads

Programm


70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention – Geburtstagfeier oder Mahnung ?!
• 211210 Links zu TOP


Afghanistan – zurückgelassen unter der Terrorherrschaft der Taliban
• Martin Gerner, Buchhinweis


Struktureller Rassismus im Umgang mit Geflüchteten
• Mohammed Jouni
• Glossar Formulierungshilfen


AnkER-Zentren gescheitert?! – Was bedeutet dies für die Landesunterbringung in NRW?
• Jens Dieckmann
211211 Links zu TOPS

Aktionen zum Flüchtlingsschutz -

Balkanbrücke
• Theresa Wagner


Ausblick 2022:
Folgerungen, Strategien, Handlungsperspektiven für die Organisationen der Flüchtlingshilfe
• Stefan Keßler

211212 Links zu TOPS

AG 1: Die Ausgestaltung des humanitären Aufenthaltsrechtes in NRW
• Kirsten Eichler

AG 2: Ist der Tod von Menschen mehr als ein Kollateralschaden?
Zur Diskussion über die Flüchtlingsabwehr an den EU-Außengrenzen
• Stefan Keßler
• Tim Schröder

AG 3: Zusammenarbeit von Anwältinnen und haupt- und ehrenamtlichen Beraterinnen
• Hans-Joachim Schwabe
• Eileen Hagebölling
• Jens Dieckmann
• DRK Arbeitshilfe-besser zusammenarbeiten

AG 4: Schutz(los) gegen Abschiebung bei Krankheit und Behinderung?
• Weiser

AG 5: Verweildauer in den Landesaufnahmeeinrichtungen – gezielte Desintegration?!
• Links AG 5