Systematischer Rechtsbruch an den europäischen Außengrenzen.

Ein Bericht von der European Conference on Asylum.

Die diesjährige European Conference on Asylum fand vom 17.10. bis zum 21.10. in Warschau statt und hat einen besonderen Fokus auf die Situation in Polen und an der polnisch-belarussischen Grenze gelegt. In Polen zeigt sich besonders eindrücklich die Ungleichbehandlung von Geflüchteten an den Außengrenzen der EU. Während Geflüchtete aus der Ukraine, rechtlich geregelt über die sog. Massenzustromrichtlinie der EU, eine begrüßenswerte Unterstützung und (zumindest vorübergehende) rechtliche Absicherung erhalten, gilt für Geflüchtete aus anderen Regionen das genaue Gegenteil. Ihnen werden grundlegende Rechte systematisch verwehrt.

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Durch den Bau eines mehr als 5 Meter hohen und 186 km langen Zauns entlang der polnisch-belarussischen Grenze setzt die polnische Regierung ihren Fokus auf Abschreckung. Der durch Grenzschutz, Polizei und Militär streng bewachte Grenzzaun stellt dabei allerdings nur die erste Hürde dar, mit der Menschen an ihrem Recht auf ein Asylverfahren systematisch gehindert werden sollen. Wenn es Menschen trotz des gesicherten Grenzzauns auf die polnische Seite schaffen und um internationalen Schutz bitten, wird ihnen dies durch illegale pushbacks ebenfalls systematisch verwehrt. Bei einem Besuch des (nach wie vor geschlossenen) Grenzübergangs Kuznica berichtete der polnische Grenzschutz selbst von pushbacks, die von ihnen beschönigend „redirections“ genannt wurden. Über 40.000 dieser „redirections“ haben sie nach eigenen Angaben in den vergangen zwei Jahren durchgeführt, obwohl diese nach polnischem Recht sowie nach EU-Recht verboten sind und es darüber hinaus gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt. Selbst die Anwesenheit von Anwält*innen oder Aktivist*innen, die das Stellen des Asylgesuchs bezeugen können, schützt die Geflüchteten in der Regel nicht vor Pushbacks durch den polnischen Grenzschutz. Mit diesem Vorgehen setzt die polnische Regierung das Asylrecht an der Grenze weitestgehend außer Kraft.

Diese Politik ist kein polnischer Sonderweg, sondern reiht sich ein in eine europäische Abschottungspolitik, die an verschiedenen Außengrenzen der EU umgesetzt wird. Obwohl es sich um einen systematischen Bruch von EU-Recht handelt, gibt es kaum Bemühungen seitens der EU dagegen vorzugehen. Das Gegenteil ist eher der Fall. Die EU fördert nicht nur den Bau des Grenzzauns in Polen (ebenso in anderen Ländern mit einer EU-Außengrenze), sie diskutiert derzeit die sogenannte Instrumentalisierungsverordnung, die diese (und weitere) bisher illegalen Beschneidungen des Asylrechts (zumindest teilweise) legalisieren würden. Die Einführung dieser Verordnung würde nichts anderes bedeuten, als das die EU auf den systematischen Rechtsbruch an ihren Außengrenzen nicht mit dem Versuch der Durchsetzung des geltenden Rechts reagiert, sondern mit einer Anpassung des Rechs. Der systematische Bruch des Asylrechts könnte dadurch legalisiert wird.

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Sebastian Pöppe

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