Eine Seele von Weg

Unterwegs auf dem Olovsvej in Norwegen

„Gud velsigne og bevare deg – Gott segne und behüte dich.“ In zwei Sprachen steht es auf dem schlichten Armband, das Anna Runesson vom „Pilegrimssenter Oslo“ an diesem Freitagnachmittag Ende Juli allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Pilgergruppe aus Deutschland überreicht.

Olafsweg

Ein Kreis hat sich geschlossen: Zwei Tage zuvor war die Gruppe am Nidarosdom in Trondheim angekommen. Und hier in Oslo, am ersten Meilenstein des Weges, 643 Kilometer und 18.000 Höhenmeter von Trondheim entfernt, hatte die Reise 2019 begonnen. Dazwischen 30 Etappen, großartige Wege durch die herrliche norwegische Landschaft, abenteuerliche Übernachtungen an den abgelegensten Orten und intensive Erfahrungen in Sachen geistlichem und gemeinschaftlichem Leben.

Rückblende: An einem Sommertag im Juli 2019 geht’s los. 18 Frauen und Männer aus ganz Westfalen haben sich für diese Reise des Instituts für Kirche und Gesellschaft angemeldet, die nach einer Fährüberfahrt von Kiel nach Oslo nun im Pilgerzentrum so richtig beginnt. Sie stehen am Anfang dieses nach König Olav benannten Weges, der an die Christianisierung Norwegens durch Olav um das Jahr 1000 erinnert. 1997 ist er neu als Pilgerweg eröffnet worden. Anders als der „Camino“ nach Santiago de Compostela ist der Weg noch relativ unbekannt und durchaus einsam. Bis Lillehammer, 1994 Austragungsort der Olympischen Winterspiele, kommt die Gruppe auf dieser ersten Tour.

2021, lange unsicher aufgrund der Corona-Pandemie, setzt die Gruppe an genau diesem Ort wieder ein. Zielpunkt der zweiten Tour Hjerkinn, ein kleiner Ort mitten im Dovrefjell. Jeden Tag werden gut 20 Kilometer gepilgert und bei der Ankunft wird die Gruppe von Kai-Uwe Kersten empfangen – der Hotelleiter aus Münster fährt den kleinen Begleitbus, kauft ein und versorgt die hungrigen und durstigen Wandersleute mit köstlichem Essen und magnesiumhaltigen Getränken.   

 

Mitte Juli 2023: Zum dritten Mal macht sich die Gruppe auf den Weg – nun steht das letzte Drittel des Olavswegs von Hjerkinn nach Trondheim auf dem Plan. Allein die Anreise braucht zwei Tage, aber dann kann es losgehen. Auf 1318 Metern über dem Meeresspiegel stehen die Pilger bald auf dem höchsten Punkt des Weges. Von da an geht es viele Kilometer auf Trondheim zu - mal auf langen Asphaltstrecken entlang von Hauptstraßen, meistens durch dichte Wälder, kleine Siedlungen und entlang herrlicher Seen: Miles and Moor. Trondheim, das Ziel der Reise, kommt mit jedem Schritt näher. In die Vorfreude auf die Ankunft mischt sich Melancholie: Bald wird der Weg, der uns so lange beschäftigt und bewegt hat, der uns so viel abverlangt, aber auch so viel geschenkt hat, zu Ende sein.

Schließlich ist Trondheim erreicht. Auch unser Bullyfahrer geht die letzten Kilometer mit. Und dann stehen wir vor dem Nidaros-Dom, der größten Kirche Skandinaviens. Das Ziel ist da. Wir umarmen uns, fotografieren uns vor dem Meilenstein „0 km til Nidaros“ und singen den Kanon, der uns während der ganzen Reise begleitet hat: „Lobe den Herrn, meine Seele, und seinen heiligen Namen…“

Im Abschlussgottesdienst kommt alles noch einmal zur Sprache und vor Gott: Wie viel „Pilger-Spirit“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt war, um die mancherlei Überraschungen und Herausforderungen auf dem Weg gemeinsam zu bewältigen. Wie sehr das gemeinsame Zubereiten der Mahlzeiten zu einem Pilgererlebnis „mit allen Sinnen“ beigetragen hat. Wie steinig der Weg immer wieder gewesen ist. Und auch, wie viel an Nähe und Verbundenheit unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern entstanden ist. Mit anderen Worten: Wie präsent Gottes lebendiger Geist spürbar war auf den Wanderungen durch dieses wunderbare Land.

Nur noch wenige Blasenpflaster, aber viele Erinnerungen nimmt die Gruppe mit zurück nach Westfalen – und das rote Armband aus dem Pilgerzentrum in Oslo: „Gud velsigne og bevare deg – Gott segne und behüte dich.“