Friedensreich des Messias

Andacht

„Man wird weder Bosheit noch Schaden tun. So wie das Meer voll Wasser ist, wird das Land erfüllt sein von der Erkenntnis des HERRN.“

(Jesaja, Kapitel 11, Vers 9)

Diese Sätze befinden sich in einem Abschnitt, der mit „Der Messias und sein Friedensreich“ überschrieben ist.

Jesajas Wirken fällt in die schlimmste Krisenzeit, die das Volk Israel bis dahin erlebt hat.

Das Land ist zu einem Großteil von der Weltmacht Assur zerstört worden. Verblichen der Glanz des Könighauses David. Israel ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Nur ein unscheinbarer Landstrich ist ihm geblieben. Sanherib, der assyrische Herrscher, hat uns Berichte hinterlassen, in denen er detailreich beschreiben lässt, wie seine Truppen das Südreich Juda systematisch zerstören und dabei 45 befestigte Städte belagern, plündern und verbrennen.

In dieser Situation der Zerstörung und des Niedergangs tritt Jesaja auf.

 

 

 

 

verdorrter Baum mit Hoffnung

Mit kraftvollen, mit bildreichen Worten beschreibt er eine ganz andere, eine leuchtende Zukunft und prophezeit dem Volk Israel – nicht nur für damalige Ohren - Unerhörtes:

 Aus dem Stamme Davids, aus dieser - bildhaft gesprochen - halb verdorrten, knorrigen „Wurzel“ wird ein grüner Zweig hervorbrechen. (wir singen dies gern zu Weihnachten: Es ist ein „Ros“ (eine Rose!) - übrigens kein „Ross“ (ein beliebter Hörfehler) - entsprungen, aus einer Wurzel, zart). Gegen alle Erfahrung, trotz aller Perspektivlosigkeit, sprießt aus verdorrtem Untergrund das Leben. Denn so Jesajas Prophezeiung: Es wird jemand kommen mit dem Geist Gottes, es wird jemand kommen mit dem Geist der Wahrheit.

Es wird jemand kommen, der Gerechtigkeit herstellen, der den Elenden aufhelfen wird. Jener wird alle Knechtschaft und Unterdrückung, alle Gewalt auflösen. Und dann kommt dieses visionäre Bild, dass wir alle bestimmt schon einmal gehört haben: Da wird der Wolf beim Lamm wohnen, da wird der Löwe Stroh fressen wie das Rind und ein Kind, ein Säugling, wird am Loch der Natter spielen.

Es folgt der Vers 9: „Man wird zukünftig weder Bosheit noch Schaden tun. Denn das Land wird erfüllt sein von der Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt“.

Was für eine Zukunft! Was für eine Vision!

Was für ein Kontrast zur damaligen Gegenwart!

Der schmale Vers ist Teil dieser gewaltigen Friedensvision, in deren Zentrum das Kommen des rettenden, erlösenden Messias steht.

Er, der Gesalbte Gottes, wird alle Juden zusammenführen, er wird sie von Fremdherrschaft befreien und ein Reich der Gerechtigkeit und Freiheit aufrichten. Für die frühen Christen war das die kraftvolle Ankündigung des Kommens Jesu Christi, Christus, Sohn Gott und Gesalbter des Herrn, Christus der Messias!

Auch für uns ist die Prophezeiung des Jesaja immer noch ein Verheißungstext, der auf den innersten Kern der Bibel und natürlich auch auf Weihnachten hinweist. Fern jeder biedermeierlichen Gemütlichkeit mit Weihnachtsbaum, Glitzer und Kerzenschimmer kündigt sich in dieser Weissagung des Jesaja – friedensvisionär und geradezu umstürzlerisch - die weihnachtliche Zeitenwende durch Christi Geburt an.

Es ist eine „Zeitenwende“ der ganz anderen Art, verglichen, mit jener, die Olaf Scholz wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ausrief und mit der er die radikale Neuausrichtung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik beschrieb. 

Rund 2700 Jahre sind Jesajas Worte von der Zeitenwende nun alt. Und sie treffen heute wie damals in eine Zeit des Schreckens! Wieder herrscht tiefe „Krise“, mehr noch, es sind zahlreiche, sich überlagernde Krisen.

Covid, - immer noch – stärker denn je, Klima und Krieg, da sind Inflation, Rezession, Energieknappheit, Zukunftsangst, Angst vor Armut. Und erst recht in der Ukraine, Angst vor dem Tod, der mit Drohnen geflogen kommt, sich direkt gegen die Zivilbevölkerung richtet und die überlebenswichtige Infrastruktur zerstört. Wird die atomare Abschreckung halten oder kommt der nukleare Overkill? 

Wer - wie manch ältere unter uns - im Kalten Krieg durch die Friedensbewegung an den Atomraketenbunkern in Mutlangen und Bitburg politisiert wurde, spürt vielleicht gerade auf ganz besondere Weise, wie brenzlig die Situation ist.

Wir steuern auf Weihnachten zu, diesmal primär nicht auf ein Covid–Weihnachten, sondern diesmal - um es krass zu sagen -auf ein Kriegs-Weihnachten. Es ist Krieg in Europa!

Jesajas weihnachtliche Verheißung von der Ankunft des Messias und seinem anbrechenden Friedensreich wird so zum Gegenbild unserer Wirklichkeit. Sie bekommt eine ganz besondere Bedeutung, als nachdrückliche, als kraftvolle Erinnerung daran, wie Gott unsere Welt eigentlich will.

Man wird weder Bosheit noch Schaden tun. So wie das Meer voll Wasser ist, wird das Land erfüllt sein von Erkenntnis des HERRN.

Ja, ich will mich gerade in dieser Zeit von dieser Friedensvision des Jesaja inspirieren lassen, will auf Gott hoffen, auf Gott, der gerade jetzt meine Wahrnehmung, meine Erkenntnis schärft, für das Gute, das es trotz allem gibt und das widerständig ist, trotz allem Bösen: Trotz Krieg und Not, ist Gottes Reich bereits mitten unter uns. Trotz allem wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben auf der Gerechtigkeit wohnt. „Denn siehe ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihrs denn nicht.“ So lesen wir an anderer Stelle bei Jesaja 43,19.

Das Neue, das Friedvolle, es ist heute nur schwer zu erkennen und die Situation schwer auszuhalten. Und dennoch gilt die große Verheißung:  Nicht das Böse wird das letzte Wort haben, sondern die Liebe. Nicht der Tod, sondern das Leben.

Man wird weder Bosheit noch Schaden tun. So wie das Meer voll Wasser ist, wird das Land erfüllt sein von Erkenntnis des HERRN.

Die Friedensvision des Jesaja ist ein starkes Symbol für die Zukunft, konkrete Utopie, im besten Blochschen Sinne: Mitten im Chaos der Gewalt blitzt die neue friedvolle Wirklichkeit auf.

Ja, ich will auf Gott und auf sein anbrechendes Reich hoffen, will mit dem in Gänze noch nicht erkennbaren, will mit dem Unverfügbaren rechnen, mit dem Ausgang, der sich ergibt, wenn wie jetzt zum Teil alle Ausgänge bisherigen Denkens versperrt scheinen.

Was aus dieser Welt letztendlich wird, liegt nicht in unserer, sondern in Gottes Hand. Sie liegt in Gottes Hand, von dem Jesaja weissagt, dass seine unvorstellbare, seine unerhörte Friedensmission erfolgreich sein wird. Deshalb gehört zum konkreten Tun auch das „Warten“, das „Warten“ auf Gottes Zeit, wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte. Vielleicht ist dieses Warten auf Gottes Zeit die größte Herausforderung unserer Zeit: angesichts von so viel Ungerechtigkeit, Hass, Gewalt.

Wir gehen auf Weihnachten zu und werden daran erinnert, dass Gottes Zeit unter uns anbrechen wird. Unter dem Anschein des Gegenteils. Schwach und doch stark, die Herzen und die Welt bedenkend.

So lasst uns auf Gott hoffen, lasst uns tun, was wir angesichts schwerer Krisen tun können und was in unserer Macht steht: für den Frieden, gegen die soziale Kälte und gegen den Klimawandel. Und:

Lasst uns „aktiv“ Warten auf das, was noch aussteht:  Gottes Zeit! „Dann wird man weder Bosheit noch Schaden tun. So wie das Meer voll Wasser ist, wird das Land erfüllt sein von Erkenntnis des HERRN. So beschreibt sie Jesaja im Vers unserer Tageslosung.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
AMEN

tote Bäume und Kreuz