Rückblick:
Tagung zum Umgang mit dem assistierten Suizid

„Eine hervorragende Gelegenheit zur Netzwerkbildung“

So äußerte sich einer der Referenten auf der großen interprofessionellen Tagung Sterben wollen – leben müssen – sterben dürfen? Von der Kontroverse in die Praxis: Umgang mit dem assistierten Suizid. Und das war es in der Tat.

223601 Hospiztagung

Diese zwei Tage Ende Oktober waren davon bestimmt, dass Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen, mit unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Erfahrungen und Perspektiven sich miteinander auf den Weg gemacht haben, die Möglichkeiten des Umgangs mit dem Assistierten Suizid auszuloten. Sowohl vor Ort, in der direkten persönlichen Begegnung, als auch im digitalen Raum, denn schon wie die erste Tagung im vergangenen Jahr wurde auch diese wieder hybrid durchgeführt: ein durchaus anspruchsvolles Format, das aber den ca. 45 rein digital Teilnehmenden gute Partizipationsmöglichkeiten geboten hat. So trafen sich insgesamt mehr als 80 Menschen in Haus Villigst, gleichmäßig verteilt auf den Tagungsraum und den Bildschirm. Unter diesen befanden sich Seelsorger*innen und Sozialarbeiter*innen, ehrenamtliche Hospizhelfer*innen und Ärzt*nnen, Koordinator*innen und Pflegekräfte, Leitende aus diakonischen Einrichtungen und manche, die aus rein persönlichem Interesse teilnahmen.

Damit bildete sich die Komplexität der Fragestellungen zum Umgang mit dem assistierten Suizid in der Vielfalt der Teilnehmenden ganz direkt ab: denn auch wenn manche Aspekte noch gar nicht geklärt sind – etwa die Frage, wie eine rechtliche Regelung einmal aussehen wird, so sie denn kommt –, ist deutlich geworden, dass ein verantwortlicher Umgang mit Wünschen nach assistiertem Suizid als Aufgabe eines multiprofessionellen Teams betrachtet werden muss. In einem solchen haben jedoch alle Berufsgruppen und Zugehörigen des Patientensystems ihre eigenen Rollen und Funktionen, ihre eigene Berufsethik und persönlichen Wertvorstellungen, die mit eingebracht und reflektiert werden (müssen). Am ersten Tag wurden diese unterschiedlichen Sichtweisen in Vorträgen, Diskussionen und Gesprächsgruppen ausführlich vorstellt und diskutiert, wobei erfreulicherweise auch die wichtige, aber oft ausgelassene Perspektive der Pflegewissenschaft zu Wort kam.

Sind die Träger der Einrichtungen und Dienste, innerhalb derer Menschen den Wunsch nach assistiertem Suizid äußern, zudem konfessionelle Träger, kommt noch eine ganz wesentliche Ebene hinzu, nämlich diejenige der Organisationsethik: Wie stellt sich ein Träger zu dem Thema Assistierter Suizid? Welche Regelungen können oder sollten getroffen werden, auch im Hinblick auf die Mitarbeitenden und ihren Schutz, welche Grenzen werden aufgrund welcher Werte gezogen – und was davon ist juristisch überhaupt haltbar? Diese und weitere Fragen wurden insbesondere am zweiten Tag ausführlich debattiert und auch durch Fallbeispiele und Stellungnahmen von Vertretern großer Träger konkretisiert. Weil es sich bei dieser Tagung um eine Kooperationsveranstaltung auch in ökumenischer Hinsicht handelte – zwischen Evangelischer Akademie Villigst, Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung des EkvW sowie dem katholischen Krankenhausträger St. Paulus Gesellschaft – gab es spannende Diskussionen über die Schnittpunkte und Differenzen, die den unterschiedlichen Konfessionen zu eigen sind. Dabei waren die Diskussionen von großer Offenheit und gegenseitiger Wertschätzung getragen, Haltungen, die diese Tagung und ihre Teilnehmenden insgesamt auszeichneten und sich auch an den zahlreichen lebhaften Pausengesprächen und den intensiven Kontakten der Referenten miteinander auch abseits des Programms ablesen ließen.

Dass der Umgang mit dem assistierten Suizid große Herausforderungen an alle Beteiligten stellt, dass ethische Reflexion auf mehreren Ebenen und gute Kommunikation in den gemischten Teams von entscheidender Bedeutung sind, wurde so anschaulich praktiziert. Gleichzeitig konnten einerseits viele Denkanstöße mitgenommen und Klärungsprozesse angestoßen werden, wie andererseits auch die offenen und ungeklärten Aspekte noch einmal deutlicher zutage getreten sind. Denn manche Grundsatzfragen und Probleme kristallieren sich an der Herausforderung assistierter Suizid nur deutlicher heraus, bestehen aber ohnehin im Gesundheitssystem und in der Gesellschaft. Dies betrifft nicht nur die dramatische Krise im Pflegesystem, sondern auch elementare Aspekte der Gesellschaft, wenn es um Teilhabe und das sorgende Miteinander, aber auch den Respekt vor dem Willen von Menschen mit bestimmten kognitiven Einschränkungen geht. „Das wäre doch etwas für das nächste Jahr“, war darum ein Satz, der mehr als einmal gefallen ist. Nach dieser zweiten spannenden Tagung zum Thema könnte es darum auch im nächsten Jahr eine Fortsetzung geben. Ansatzpunkte sind reichlich vorhanden.

DOWNLOAD:

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt

Dr. Friederike Barth
02304 / 755 321
friederike.barth@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Straße 25
58239 Schwerte