Im Jahr 2022 waren 20,9 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Als armutsgefährdet gilt, wer in Deutschland als Alleinlebende*r weniger als 15.000 Euro im Jahr verdient (destatis). Besonders betroffen sind seit Jahren und auch leider in Zukunft: Frauen. Zurückzuführen ist dies auf verschiedene strukturelle Faktoren wie zum Beispiel die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt; u. a. durch ungleiche Bezahlung. Aber auch Arbeitsumfang und Karrierechancen, eine unzureichende Bezahlung von Berufen, in denen primär Frauen tätig sind, tragen zu einer Armutsgefährdung von Frauen bei. Die traditionellen Rollenzuschreibungen wirken in Deutschland weiter und sorgen dafür, dass Kindererziehung und Pflege, also die unbezahlte Sorgearbeit, immer noch eher weiblichen Menschen zugeordnet und von ihnen geleistet wird. Eine schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die geschlechtsspezifischen Benachteiligungen im Steuer- und Sozialrecht wie z.B. das Ehegattensplitting, begünstigen das Armutsrisiko ebenfalls. Der Deutsche Frauenrat setzt sich anhaltend dafür ein, dass diese diversen Diskriminierungsfaktoren abgebaut werden. Aber es dauert und bedarf vielschichtiger, politischer Entscheidungen und Weichenstellungen. Durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und den damit gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten hat sich die bestehende Benachteiligung sogar noch verschärft. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in unserer Demokratie hat ihren Preis. Zum einen für die Frauen selbst, aber auch für die nächste Generation, nämlich die Kinder. Ein außerordentlich hohes Armutsrisiko von mehr als einem Drittel haben Ein-Eltern-Familien, also alleinerziehende Frauen, die zu 88% ihre Kinder alleine großziehen. Aktuell leben in Deutschland rund drei Millionen Kinder in Armut. Um soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen und jedem Kind, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, Teilhabe zu ermöglichen, kommt es darauf an, die Höhe der Geldleistung anders zu bemessen. Seit 2009 setzt sich deshalb das Bündnis Kindergrundsicherung für eine grundlegende Reform der Kinder- und Familienförderung ein. Aktuell gehören dem Bündnis 20 Mitgliedsorganisationen und 13 wissenschaftliche Unterstützer*innen an, u.a. das Bundesforum Männer, Verband alleinerziehender Mütter und Väter VAMV e.V. und die Diakonie Deutschland. Gemeinsames Ziel ist es, die Kinderarmut in Deutschland zu verhindern. Ihre Idee: Je niedriger das Familieneinkommen, desto höher fällt die Kindergrundsicherung aus. Zudem sollen viele Leistungen gebündelt, automatisiert sowie in ausreichender Höhe ausgezahlt werden. Eine Kindergrundsicherung in Höhe des Existenzminimums für Kinder von derzeit 590 Euro für jedes Kind wäre der richtige Schritt, so das Bündnis. Kurios: Insgesamt leben in Deutschland rund 42 Millionen Frauen, damit rund eine Million mehr als Männer. Während die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen in Deutschland bei rund 83,4 Jahren liegt, werden die Männer im Durchschnitt rund 78,6 Jahre alt. Heißt, wir diskriminieren mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nämlich Frauen, strukturell und nachhaltig seit Jahrzehnten, nämlich in dem wir weibliche Lebensbiografien und Lebensentscheidungen anders bewerten und weniger begünstigen als männliche. Die Diskussion um Armut ist also immer eine Diskussion, die an den Grundfesten unserer Demokratie rüttelt, nämlich an unserem Gleichheitsgrundgesetz Artikel 3 (2): Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Es gibt genügend Zahlen und Fakten sowohl zu Frauen- als auch zu Kinderarmut. Allein es braucht endlich Taten – um der Demokratie willen.