Expert*innen treffen sich auf Wasserstoffkonferenz

„Eine großartige Gelegenheit zur Vernetzung und Diskussion mit unseren afrikanischen Partnern und unseren Freunden in Deutschland“

So lautet das Fazit eines afrikanischen Referenten zur Konferenz „Auf der Suche nach der guten Lieferkette – Importstrategien für Wasserstoff unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Fragestellungen“ im Dezember im Gustav-Stresemann Institut in Bonn. Vor dem Hintergrund der deutschen und europäischen Wasserstoffstrategien diskutierten rund 50 Expert*innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zwei Tage lang die Notwendigkeit und Ausgestaltung von Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoffimporte aus afrikanischen Ländern.

Wasserstofftagung_©Sven Rudolph

Die Fachtagung wurde von Engagement Global in Kooperation mit dem Institut für Kirche und Gesellschaft der evangelischen Kirche von Westfalen (IKG) durchgeführt und von Brot für die Welt und dem KlimaDiskurs.NRW unterstützt. Für das IKG übernahmen Dr. Stefanie Westermann, Studienleiterin für Naturwissenschaft, Technik und Ethik, und Dr. Sven Rudolph, Referent für Klima- und Energiepolitik, die Konferenzleitung.

Grüner, also ausschließlich mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff, gilt als ein zentrales Element der sozial-ökologischen Transformation - in Deutschland und weltweit. Zu den vielversprechendsten Nutzungsbereichen in Deutschland gehört die industrielle Produktion vor allem in energieintensiven Industrien wie der Stahl- und Zementindustrie. Dort ist eine direkte Elektrifizierung der Produktion äußerst schwierig, so dass statt der bisherigen Nutzung von klimaschädlichen Brennstoffen wie Kohle und Erdgas besonders der Einsatz von Wasserstoff aussichtsreich ist.

Nordrhein-Westfalen ist dabei als Bundesland mit bedeutenden industriellen Kernen, einer komplexen Infrastruktur und einer großen urbanen Dichte der Prüfstand für gelingenden Klimaschutz und ein Reallabor für Wasserstoff – darauf verwies Klaus Breyer, Leiter des IKG, in seiner Einführung.

Der benötigte Grüne Wasserstoff kann allerdings nur in sehr begrenztem Maße in Deutschland produziert werden. Weit über die Hälfte des deutschen Bedarfes wird aller Voraussicht nach importiert werden müssen. Aufgrund der günstigen Bedingungen – viel Wind und viel Sonne – und des daraus resultierenden großen Potentials für die benötigten regenerativen Energien sind dabei nicht zuletzt afrikanische Länder im Gespräch. Konkrete Projekte gibt es zum Beispiel bereits in Namibia und auch mit anderen Staaten wird intensiv verhandelt.

Solche Energiepartnerschaften erfordern jedoch Rahmenbedingungen, die ökologische, soziale, ökonomische und politische Aspekte in den Blick nehmen und gerechte (Handels-)Beziehungen zwischen den Export- und Importländern ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Biodiversität, die Einhaltung der Menschenrechte oder die Verbesserung der Energieversorgung vor Ort in den afrikanischen Erzeugerländern, sondern, wie es Felix Matthes, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat, auf der Konferenz formulierte, um „eine industrie- und entwicklungspolitische Debatte über die Wertschöpfungsaufspaltung zwischen globalem Norden und Süden“.

Zur Frage des Bedarfs von Grünem Wasserstoff wurde schnell deutlich, dass besonders Europa – und hier vor allem Deutschland – und Japan von Importen abhängig sein werden, während die USA und China zu Selbstversorgern werden können. In Deutschland werde sich eine solche Wasserstoff-Nutzung auf die Industriebereiche konzentrieren müssen, die schwer unmittelbar elektrifizierbar sind, wie beispielsweise die Stahlindustrie. Andere Verwendungsoptionen wie die Gebäudeheizung und der Personenverkehr seien, so die einhellige Meinung unrentabel und kapazitär nicht leistbar.

Anders als bei den bisherigen Hypes um Wasserstoff oder auch um die Stromerzeugung in der afrikanischen Wüste entstünde hier aber nun ein völlig neuer globaler und bisher nicht monopolisierter Markt mit langfristigen wirtschaftlichen Chancen auch für die afrikanischen Länder, so ein Referent bei der Konferenz. Allerdings gebe es aufgrund der noch bestehenden Unsicherheiten derzeit noch ein „First-Mover-Risiko“ für diejenigen Länder und Unternehmen, die zuerst investierten. Zudem müsse man sich bewusst sein, dass vor Ort in hohem Maße in die Infrastruktur investiert werden müsse.

Aus Sicht der afrikanischen Produktions- und Exportländer stellten sich nach Auffassung eines entwicklungspolitischen Experten dabei vor allem folgende Fragen: Wie verlässlich ist der Globale Norden als Abnehmer? Welche Preise können erzielt werden? Und welcher Teil der Wertschöpfung, inklusive der damit verbundenen Arbeitsplätze, bleibt auch auf mittlere Sicht in Afrika? Denn auch wenn beim Bau von Wasserstoffanlagen eine größere Zahl von Arbeitsplätzen entstehen, für den Betrieb und die Wartung sind es deutlich weniger. Und es werden große Ressourcen an Land, Süßwasser – insbesondere aus entsalztem Meerwasser – und Geld zum Aufbau der entsprechenden Infrastruktur benötigt und gebunden.

Vertreter der Zivilgesellschaft in Afrika wiesen dann auch daraufhin: „Afrika hat keine Verpflichtung, die Klimaschulden Europas zu begleichen.“ Und aufgrund historisch etablierter ungleicher Machtverhältnisse sei eine „Partnerschaft auf Augenhöhe … ein Märchen.“ Was stattdessen möglich sei, sei „die Etablierung gerechter (Handels-)Beziehungen“ unter Berücksichtigung der Asymmetrie der Kräfteverhältnisse. Bisherige Wasserstoffprojekte in Afrika wurden dann auch von den afrikanischen Vertreter*innen äußerst kritisch gesehen. Bemängelt wurden vor allem eine konsequente Einbeziehung der lokalen Bevölkerung aber auch die Berücksichtigung von Belangen des Naturschutzes, der Süßwasserversorgung und der Wertschöpfung vor Ort. Zum Teil wird die Produktion von grünem, und ausschließlich grünem, Wasserstoff auch als Chance für die lokale nachhaltige Entwicklung gesehen. Notwendig sei dabei aber vor allem die Schaffung global verbindlicher Richtlinien und Zertifizierungen, die die Einhaltung ökologischer und sozialer Leitplanken garantiere. Allerdings dürften diese nicht allein vom Globalen Norden per Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitskriterien gesetzt, sondern müssten im Dialog mit den Ländern des Globalen Südens erarbeitet werden. Wichtige Fragen hierbei, so eine entwicklungspolitische Expertin bei der Konferenz, seien vor allem: Welche Interessen von wem stehen dahinter? Wer ist für die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien verantwortlich? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Nachhaltigkeitskriterien angemessen zu berücksichtigen? Und welchen Unterstützungsbedarf gibt es in den afrikanischen Ländern? Grundsätzlich wichtig seien, darauf wurde bei der Tagung immer wieder verwiesen, eine offene Kommunikation der jeweiligen Interessen, Transparenz und Mitsprache sowie eine realistische Abwägung der Möglichkeiten und Grenzen von Wasserstoffprojekten vor Ort.

Selbstkritisch wurde von den Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Akteure in Afrika jedoch auch darauf hingewiesen, dass eine engere Kooperation unter den afrikanischen Ländern und ihren zivilgesellschaftlichen Akteuren notwendig sei. Die Schaffung langfristiger und für alle zugänglicher Diskursplattformen zum Informationsaustausch sei hierfür ein zentraler Schritt. Und „… diese Konferenz hier bietet bereits eine großartige Gelegenheit zur Vernetzung und Diskussion mit unseren afrikanischen Partnern und unseren Freunden in Deutschland.“

Hinweis: Mit den Referentinnen und Referenten der Tagung wurden Kurzinterviews geführt, die in wenigen Wochen auf der Homepage des IKGs zur Verfügung stehen.

Wasserstofftagung3_©Sven Rudolph

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt

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02304 / 755 320
stefanie.westermann@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Str. 25
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Dr. Sven Rudolph
02304 / 755 349
sven.rudolph@kircheundgesellschaft.de
Iserlohner Str. 25
58239 Schwerte