Weltökosteuerkonferenz mit IKG-Beteiligung – Vorschläge für die Reform des EU-Emissionshandels

Anfang September präsentierte IKG-Klimapolitikexperte Dr. Sven Rudolph zusammen mit internationalen Kolleg*innen Vorschläge zur Reform des EU-Emissionshandel auf der Weltökosteuerkonferenz in Paris. Die Vorschläge wurden von den knapp 200 Teilnehmer*innen positiv aufgenommen und sollen noch in diesem Herbst in die klimapolitische Diskussion in Deutschland und Europa eingebracht werden.

Weltökosteuerkonferenz Paris GCET 2023

Die Global Conference on Environmental Taxation (GCET) ist eine der bedeutendsten internationalen Konferenzen im Bereich einer stärker marktwirtschaftlich ausgerichteten Umweltpolitik. Seit dem Jahr 2000 diskutieren regelmäßig 150 bis 200 Fachleute aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft über die Ausgestaltung, die Wirkungen und die politischen Umsetzungschancen von Ökosteuern, Emissionshandel und Subventionsabbau. Nachdem die Konferenz in den vergangenen zwei Jahrzehnten um die Welt gereist ist und dabei u.a. in Vancouver, Sydney und Kyoto Halt machte, fand sie dieses Jahr wieder in Europa statt, in Paris (GCET24 Conference). Mit dem diesjährigen Fokus auf den Klima- und Biodiversitätsschutz standen neben der internationalen Klimafinanzierung auch Fragen einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft auf dem Programm. Abgerundet wurde die Konferenz nach über 100 Vorträgen durch ein Konferenz-Dinner im ehrwürdigen Pariser Naturkundemuseum, das besonders viel Raum für den intensiven Austausch bot.

Gemeinsam mit Kolleg*innen aus Australien, Frankreich, Japan und den Niederlanden präsentierte Dr. Sven Rudolph, Klimaexperte am IKG, sowohl den Stand der Umsetzung nationaler Emissionshandelssysteme in Deutschland und Japan als auch einen Vorschlag zur Reform der Rückverteilung des Aufkommens aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten im EU-Emissionshandel. Vor dem Hintergrund der anstehenden Reformen im EU-Klimaschutzpaket „Fit for 55“ schlugen die Forscher*innen eine stärkere Berücksichtigung von Aspekten sozialer Gerechtigkeit im EU-Klimaschutz vor. Der Vorschlag wurde von führenden europäischen Klimaschutzexpert*innen unterstützt und wird vor diesem Hintergrund noch in diesem Jahr in die politischen Verhandlungen zur Umsetzung des EU-Pakets eingebracht.

Derzeit werden europaweit fast alle Einnahmen aus dem Emissionshandel im Industrie- und Energiesektor in den Klimaschutz investiert. Allerdings sorgt bereits der Emissionsdeckel, das sogenannte Cap, für die Einhaltung der EU-Klimaschutzziele in diesen Sektoren. Andererseits belasten steigende Energie- und CO2-Preise aber ärmere Haushalte relativ stärker als reiche, die sogenannte Regressivität der Energie- und CO2-Bepreisung. Diese unmittelbar vom Emissionshandel verursachte soziale Ungerechtigkeit im Klimaschutz muss daher auch durch das Instrument selbst behoben werden. Die Rückverteilung des Aufkommens aus der Versteigerung der CO2-Zertifikate bietet hier die Lösung. Anders als im bestehenden System schlagen die Forscher*innen um Dr. Sven Rudolph daher vor, mindestens 50% des Aufkommens als pro Kopf gleiches Klimageld an alle EU-Bürger*innen zurück zu verteilen. Das entspricht in etwa dem Anteil des Aufkommens aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten an den Stromsektor, der besonders stark regressiv wirkt. Die verbleibenden 50% können dann gezielt in die Finanzierung der Transformation im Industrie- und Energiesektor investiert werden.

Mindestens genauso regressiv wirkt die für 2027 auf EU-Ebene geplante CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudesektor. Hier ist bereits ein Klimasozialfonds geplant, in den 25% des Versteigerungsaufkommens fließen und durch den gerade einkommensschwache Haushalte und besonders verwundbare kleinere Unternehmen bei der Transformation unterstützt werden sollen. Das von Dr. Sven Rudolph geleitete Team schlägt vor, die verbleibenden 75% wiederum als pro Kopf gleiches Klimageld an alle EU-Bürger*innen auszuzahlen.

Aktuelle Studien zeigen, dass ein solches Klimageld die Regressivität der CO2-Bepreisung nahezu vollständig kompensieren kann (DIW Berlin: Verkehrs- und Wärmewende: CO₂-Bepreisung stärken, Klimageld einführen, Anpassungskosten verringern). Für Dr. Sven Rudolph und seine Kolleg*innen war aber ein anderes Argument entscheidend: Geht man von einem gleichen Recht aller Menschen auf die Nutzung natürlicher Ressourcen, in diesem Fall eines stabilen globalen Klimas, aus, so müsste auch jedem einzelnen Menschen eine gleiche Menge an CO2-Emissionsrechten zugeteilt werden. Um das Paris Limit einzuhalten, wären das ca. zwei bis drei Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr bei derzeit rund acht Tonnen in Deutschland, 15 Tonnen in den USA aber nur zwei Tonnen in Indien. Da dies aber global derzeit weder organisatorisch noch politisch durchsetzbar ist, sollten zumindest die Erlöse aus dem Verkauf dieser Emissionsrechte pro Kopf gleich verteilt werden.

Zudem plant die EU, ab 2026 einen CO2-Grenzausgleich, den sogenannten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Dieser wird energieintensive Produkte wie z.B. Zement, die in außereuropäischen Ländern ohne CO2-Preis erzeugt werden, beim Import in die EU mit einem Preisaufschlag belegen. So soll die europäische Industrie vor einem unfairen internationalen Wettbewerb auf Kosten des Klimas geschützt werden. Dieser Preisaufschlag wird dem dann jeweils geltenden CO2-Preis im europäischen Industriesektor entsprechen und von importierenden ausländischen Unternehmen bezahlt werden müssen. Da es sich hierbei einerseits um ein international wirkendes Instrument handelt, das auch Länder des Globalen Südens betreffen kann, und andererseits ein erheblicher Finanzierungsbedarf für die Unterstützung des Globalen Südens bei der Bekämpfung und der Anpassung an den bereits unvermeidbaren Klimawandel gibt, schlagen die Forscher*innen die Verwendung des Aufkommens aus dem CO2-Grenzausgleich für die Internationale Klimafinanzierung vor. So wäre neben der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der EU auch der internationalen Gerechtigkeit im Klimaschutz gedient.

Das internationalen Forscher*innenteam um Dr. Sven Rudolph ist sich einig: „Das Reformpaket ‚Fit for 55‘ bietet eine einmalige Gelegenheit, den europäischen Klimaschutz gerechter zu machen. Dafür muss aber die Rückverteilung des Versteigerungsaufkommens aus der CO2-Bepreisung neu ausgestaltet werden. Ein für alle EU-Bürger*innen gleiches Klimageld und ein Beitrag zur Internationalen Klimafinanzierung sind dabei zentrale Komponenten.“

Weltökosteuerkonferenz Paris GCET 2023 2
Weltökosteuerkonferenz Paris GCET 2023 3

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sven.rudolph@kircheundgesellschaft.de
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